1

Im Februar 2015 beauftragte das BJMV eine illustre, interdisziplinär besetzte Kommission[1] damit, Vorschläge für eine grundlegende Neuordnung der Eltern-Kind-Zuordnung zu erarbeiten. Rund zweieinhalb Jahre später, im Juli 2017 übergab der Arbeitskreis seinen Abschlussbericht.[2] Gleichsam auf der Zielgeraden hat der Gesetzgeber den Arbeitskreis u.a. mit der Einführung des Samenspenderregistergesetzes in Teilbereichen überholt; dass im Übrigen kurz vor Ablauf der Legislaturperiode keine unmittelbaren gesetzgeberischen Maßnahmen aus dem Bericht folgen würden, war zu erwarten. Das Schicksal der weiteren Vorschläge des Arbeitskreises ist derzeit völlig ungewiss. Konkrete Gesetzesvorhaben sind, soweit bekannt, rund ein Jahr nach Vorlage des Berichts noch nicht in Angriff genommen worden. Die Ergebnisse der Kommission sind es aber allemal wert, weiterhin in der Diskussion zu bleiben.

[1] Mitglieder des Arbeitskreises siehe Abschlussbericht S. 18.

A. Auftrag des Arbeitskreises

Die vielfältigen heutigen Familienkonstellationen und insbesondere die stetig wachsenden Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin stellen das geltende Abstammungsrecht vor ständige Herausforderungen: Konkurrenz von genetischem und sozialem Vater um die rechtliche Vaterschaft, gleichgeschlechtliche Eltern, die Frage nach "pluraler" Elternschaft und die abstammungsrechtliche Behandlung von Kindern, die ihre Geburt der Inanspruchnahme von – in Deutschland verbotenen – Fortpflanzungsmethoden im Ausland, wie Eizellenspende oder Leihmutterschaft, zu verdanken haben, sind hier nur einige der Stichworte. Der Arbeitskreis[3] hatte den Auftrag, diese und andere sich im Zusammenhang aufdrängende Fragen unabhängig von tagespolitischen Erfordernissen vertieft aufzuarbeiten, etwaigen Reformbedarf im Abstammungsrecht des BGB zu prüfen und ggf. Reformvorschläge für ein stimmiges Gesamtkonzept zu entwickeln.[4] Die Frage nach einer Legalisierung von Leihmutterschaft oder Eizellenspende war ausdrücklich nicht vom Arbeitsauftrag erfasst,[5] auch nicht personenstandsrechtliche Fragen, wie z.B. die, mit welchem Geschlecht ein trans- oder intersexueller Elternteil im Personenstandsregister einzutragen sei.[6]

[3] Im Folgenden als "AK" bezeichnet.
[4] Abschlussbericht S. 17.
[5] Abschlussbericht S. 17.
[6] Abschlussbericht S. 74.

B. Aufbau des Abschlussberichts

Dem eigentlichen Bericht ist neben dem Geleitwort des Justizministers eine Zusammenfassung vorangestellt. Im ersten allgemeinen Teil stellt der Bericht die Mitglieder der Kommission vor, umreißt Arbeitsauftrag und Vorgehensweise und definiert grundlegende Begriffe. Der zweite Teil nimmt die Leitprinzipien für die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung in den Blick und stellt die – später vereinzelt dargestellten – Kernthesen für eine Reform des Abstammungsrechts zusammen. Der dritte Teil, Schwerpunkt des Berichts, umfasst eine Vielzahl von Einzelthesen und deren Diskussion; auf diesen Ergebnissen basieren die im zweiten Teil dargestellten Kernthesen. Teil 4 fasst noch einmal in einer Übersicht sämtliche 91 Thesen des Arbeitskreises und die jeweiligen Abstimmungsergebnisse zusammen. Abgerundet wird der Bericht durch ein umfangreiches Glossar der verwendeten Begriffe sowie die Darstellung der persönlichen Leitlinien der Arbeitskreismitglieder.

C. Kernthesen des AK – Begrifflichkeiten, Bewährtes, neue Konzeptionen

I. Vorschläge für sprachliche Veränderungen

Auch wenn die Experten als "Arbeitskreis Abstammungsrecht" ihren Bericht erstellt haben, möchten sie doch das "Abstammungsrecht" durch den Begriff "rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung" ersetzt sehen.[7] Der Begriff "Abstammung" rufe zu Unrecht die Assoziation hervor, es gehe ausschließlich um Personen, die genetisch miteinander verwandt seien. Die genetische Abstammung sei aber nur ein, wenn auch zentrales Prinzip für die rechtliche Zuordnung der Eltern. Weitere auch für den AK maßgebliche Prinzipien seien u.a. Rechtsklarheit, Rechtssicherheit und Verlässlichkeit, ferner die Trennung von Primär- und Sekundärzuordnung, der Wille zur rechtlichen Elternschaft, das Verursacherprinzip, die tatsächliche Verantwortungsübernahme, Nichtdiskriminierung und nicht zuletzt das Kindeswohl.[8]

Ob sich dieser neue Begriff wird durchsetzen können, erscheint mir zweifelhaft. Das Argument, von der Fixierung auf die biologische Zeugung abzurücken, ist zwar zweifellos zutreffend. Andererseits hat sich der Begriff "Abstammung" im Sprachgebrauch eingebürgert und es spricht nichts dagegen, die vom AK aufgelisteten Prinzipien im Abstammungsrecht zu berücksichtigen, wie dies ja auch im geltenden Recht bereits zumindest teilweise geschieht. Buch 2 Abschnitt 4 des FamFG künftig möglicherweise als "Verfahren betreffend die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung" überschrieben zu sehen, erscheint recht sperrig. Den Begriff der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung allerdings gleich als "grotesk"[9] zu bezeichnen, halte ich für völlig überzogen.

Der AK verabschiedet sich auch von der Verwendung des Begriffs der "leiblichen Mutter".[1...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge