Das OLG Karlsruhe hat sich in einem facettenreichen Fall mit dem Elternunterhalt befasst, der unter verschiedenen Gesichtspunkten Aufmerksamkeit verdient und erneut in den Grenzbereich familiärer Verantwortung führt. Trotz der sorgsam und in jeder Hinsicht lege artis verfassten Gründe bleibt ein schaler Nachgeschmack, wenn eine Rechtsordnung der auf die verwandtschaftliche Herkunft gestützten Unterhaltspflicht selbst dann noch eine überragende Bedeutung beilegt, nachdem der Pflichtige in eben dieser Familie schwerste und keineswegs überwundene Schädigungen erlitten hat.

Sachverhalt

Bereits für den Sachverhalt gibt es in der bisher veröffentlichten Rechtsprechung keine Parallelen.

Der Sozialhilfeträger begehrt für 13 Monate aus übergegangenem Recht Unterhalt für die im Frühjahr 2012 in ein Pflegeheim aufgenommene Mutter der Antragsgegnerin. Die von vier Geschwistern allein über ein hinlängliches Einkommen verfügende Antragsgegnerin ist eine inzwischen 60-jährige, verwitwete Frau, die als Folge der in der Familie erlittenen Traumata selbst seit 10 Jahren voll erwerbsgemindert ist.

Im Alter von etwa 13 Jahren wurde sie durch ihren etwas älteren Bruder im gemeinsamen Kinderzimmer vergewaltigt und schwanger. Nachdem die Schwangerschaft offenbar geworden war, kam sie in ein Mutter-Kind-Heim, wo sie 1967 einen schwer behinderten Sohn gebar. Anschließend kehrte die Antragsgegnerin zunächst in die Familie zurück, die mittels einer "Legende" die tatsächlichen Vorgänge vor der Öffentlichkeit verbarg. Dies zwang die Antragsgegnerin dazu, aktiv an der Vertuschung mitzuwirken und ihre Mutterschaft zu verleugnen. Die Versorgung des Kindes übernahm überwiegend ihre Großmutter. Die Feststellung der Vaterschaft des Bruders konnte die Antragsgegnerin erst nach Erreichen der Volljährigkeit betreiben. Die Antragsgegnerin durchlief nach der im Alter von 14 Jahren abgeschlossenen Volksschule zunächst eine Anlern-Ausbildung und absolvierte nach ihrer anfänglichen Tätigkeit als Bürogehilfin noch eine weitere Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten. Im Alter von 51 Jahren wurde sie wegen voller Erwerbsminderung verrentet. Ausschlaggebend hierfür waren psychische und psychosomatische Spätfolgen aus der im Kindesalter erlittenen Vergewaltigung sowie der Geburt des schwerstbehinderten Sohnes. An diesen Folgen haben ihre Eltern einen erheblichen Anteil. Sie ließen es nach der Tat und der Geburt an Verständnis und Fürsorge fehlen, was zu einer schuldhaften Verarbeitung des Erlebten und der bis heute nachwirkenden schweren Traumatisierung beitrug.

Die Antragsgegnerin bezieht einschließlich ihrer Witwenversorgung nunmehr eine Rente von rund 2.450 EUR, von der ihr nach Abzug erhöhter Wohnkosten als anrechenbares Einkommen rund 2.000 EUR verblieben. Dieses Einkommen überstieg den 2012 maßgeblichen Selbstbehalt von 1.750 EUR (Sockelbetrag 1.500 EUR) um rund 250 EUR und den im Jahr 2013 auf 1.800 EUR (Sockelbetrag 1.600 EUR) erhöhten Selbstbehalt um rund 200 EUR. Nachdem der Sozialleistungsträger eine Verwirkung zwar verneint, aber unabhängig davon aufgrund des schweren Lebensschicksals der Antragsgegnerin bereits einen Abschlag von 40 % vorgenommen hatte, ist der Senat zu einem geringfügig geringeren Gesamtbetrag von 2.766 EUR gelangt, den er nach § 1611 BGB um 2/3 auf 922 EUR kürzte – dies entspricht monatlichen Beträgen zwischen rund 85 EUR und 65 EUR.

Angemessene Heimkosten

Bei der Höhe des notwendigen Bedarfs gehört das zu leistende Heimentgelt (§ 87a SGB XI) zu den regelmäßigen Streitpunkten. Grundsätzlich muss sich der unterhaltsberechtigte Elternteil unabhängig von seiner früheren Lebensstellung mit einer einfachen und kostengünstigen Heimunterbringung begnügen.[1] Bestreitet der Unterhaltspflichtige die Notwendigkeit der Kosten, obliegt es dem Berechtigten, die Angemessenheit der getroffenen Wahl darzulegen. Allerdings hat der BGH dem Unterhaltspflichtigen ein substantiiertes Bestreiten abverlangt, dem dieser wiederum mit der Benennung preisgünstigerer Heime in der jeweiligen Region genügen kann.[2] Über entsprechende Internet-Portale[3] sind alle maßgeblichen Informationen erreichbar, so dass die notwendige Darlegung ohne weiteres zu leisten ist. Auf entsprechenden Vortrag hat dann der Unterhaltsberechtigte die Notwendigkeit der anfallenden Kosten anhand der für die Auswahl maßgeblichen Kriterien sowie ggf. die Unzumutbarkeit einer anderen Wahl darzulegen und im Streitfall zu beweisen. Für den an dessen Stelle getretenen Sozialleistungsträger gelten dabei keine geringeren Anforderungen als für den Unterhaltsgläubiger selbst.[4] Dies erfordert einen entsprechend positiven Sachvortrag. In der Sache steht dem Unterhaltsberechtigten ein gewisser Entscheidungsspielraum zu, solange die zur Auswahl stehenden Heime im unteren Preissegment liegen. Das Gericht kann sich daher nicht auf die Prüfung beschränken, ob die vom Pflichtigen benannten Heimplätze jeweils als unzumutbar ausscheiden. Die Entfernung zum bisherigen Wohnort muss nicht das ausschl...

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