Klaus Weil

Der Versorgungsausgleich beschäftigt uns Anwälte zunehmend aufgrund immer komplizierterer Auskünfte. Die Hoffnung, das neue Versorgungsausgleichsgesetz werde unsere Arbeit erleichtern, da es verständlicher und einfacher anzuwenden sei, hat sich nicht bewahrheitet. Der Versorgungsaugleich ist vielmehr zum Expertenrecht mutiert. Umso erfreulicher ist es, dass der Bundesgerichtshof uns in zwei Entscheidungen Möglichkeiten an die Hand gegeben hat, Mandanten in speziellen Fällen geradezu in Euphorie zu versetzen:

Zum einen hat der BGH am 10.1.2018 entschieden, dass die durch den Versorgungsausgleich verursachte Kürzung der Renten aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes über viele Jahre hinweg rechtswidrig zu hoch vorgenommen worden ist. Für die Rentner bedeutet dies, dass sie eine Nachzahlung der unberechtigt einbehaltenen Rentenanteile einfordern können. Für die Zeit ab Januar 2015 sind diese Rückforderungsansprüche auch nicht verjährt.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (IV ZR 262/16) bedeutet für geschiedene Rentenbezieher aus der Zusatzversorgung des öffentlichen und kirchlichen Dienstes ein erhebliches Geschenk. In nahezu allen Fällen ist die Rentenkürzung zwischen 50 und 80 % zu hoch ausgefallen.

Allerdings müssen die Betroffenen selbst aktiv werden und die Nachzahlung vom Versorgungsträger einfordern. Dieser wird nicht von sich aus aktiv. Das kann allerdings auch Risiken bergen, wenn nämlich der Versorgungsträger von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Abänderung der Altentscheidung und deren Überleitung ins neue Versorgungsausgleichsrecht zu verlangen. Insbesondere dann, wenn der Rentner eine weitere betriebliche Altersversorgung in der Ehezeit aufgebaut hat, kann sich die Rechtsänderung negativ für ihn auswirken.

Bis zur Umstellung der Rente auf das neue Recht steht den Rentnern allerdings der Anspruch auf den unberechtigt einbehaltenen Kürzungsbetrag zu. Für den nicht verjährten Forderungszeitraum von drei Jahren kann dieser Anspruch beim Versorgungsträger geltend gemacht und, falls dieser die Zahlung verweigert, bei Gericht eingeklagt werden.

Ob es sich für die Betroffenen überhaupt lohnt, können diese recht einfach feststellen:

Die Entscheidung über den Versorgungsausgleich muss beim Familiengericht vor dem 1.10.2010 ergangen sein.
In der Entscheidung ist der Ehezeitanteil der Zusatzversorgung angegeben, der mithilfe der Barwertverordnung (BarwertVO) in eine Rente umgerechnet worden ist. Die Hälfte der Differenz zwischen dem tatsächlichen Kürzungsbetrag und dem im Scheidungsurteil verrechneten Rentenbetrag ist die unberechtigt einbehaltene Rentenkürzung, die vom Versorgungsträger für die Zeit ab 2015 nachzuzahlen wäre.

Zum anderen besteht nach Auffassung des BGH (XII ZB 635/12) für Renter, deren geschiedener Ehepartner vorverstorben ist, die Möglichkeit, den Versorgungsausgleich rückgängig zu machen, wenn sie in der Ausgangsentscheidung nach dem bis 2009 geltenden Recht insgesamt ausgleichspflichtig waren. Dies gilt unabhängig von der Bezugsdauer der Rente durch die/den Ausgleichsberechtigte/n und für alle Versorgungssysteme. Voraussetzung ist die Zulässigkeit der Abänderung nach § 51 VersAusglG. In diesem Verfahren findet § 31 VersAusglG Anwendung, sodass bei Abänderung durch den Verpflichteten der Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Derzeit ist ein solches Verfahren erneut beim BGH anhängig – Ausgang offen.

Beide Verfahren bieten Rentnern enorme Möglichkeiten, in bestimmten Fällen ihre Altersversorgung erheblich zu verbessern. Hierbei sollten wir ihnen hilfreich zur Seite stehen.

Autor: Klaus Weil

Klaus Weil, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Marburg

FF 6/2018, S. 221

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