Das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung ist des Weiteren unabhängig von der Art der Zeugung. Es gilt auch bei einer medizinisch assistierten Zeugung, insbesondere auch bei einer Samenspende. Für das deutsche Recht ist dies schon seit Langem nicht zweifelhaft. Der BGH und das OLG Hamm haben dies erneut in ihren Entscheidungen über einen gegen den Arzt gerichteten Auskunftsanspruch hervorgehoben.[22] Auch der EGMR scheint dies nach seiner Entscheidung im Fall Mennesson/Frankreich[23] grundsätzlich so zu sehen. In dieser Entscheidung ging es um die Zuordnung der Vaterposition des biologischen Vaters zu dem von einer US-amerikanischen Leihmutter geborenen Kind.[24]

Zwar lassen noch einige europäische Rechtsordnungen eine anonyme Samenspende zu.[25] Und die Eizellenspende ist in einigen europäischen Rechtsordnungen sogar zwingend anonym.[26] Demgegenüber geben beispielsweise das österreichische,[27] schweizerische,[28] niederländische,[29] englische, irische,[30] norwegische,[31] finnische, und schwedische Recht[32] dem Kind die Möglichkeit, identifizierende und – jedenfalls teilweise – auch nicht identifizierende Daten über den Keimzellenspender zu erfahren, ohne daran aber statusrechtliche Folgen zu knüpfen.[33]

[22] BGH v. 28.1.2015 – XII ZR 201/13; FamRZ 2015, 642; OLG Hamm v. 6.2.2013, NJW 2013, 1932.
[23] EGMR v. 26.6.2014, Nr. 65192/11 – Mennesson/Frankreich.
[24] EGMR v. 26.6.2014, Nr. 65192/11 – Mennesson//Frankreich, Rn 99, 100.
[25] Frankreich: Art. 16-8 CC, Art. 511-90 Code Penal mit Ausnahmen im Fall eines medizinischen Notfalles; Tschechien: § 3 Abs. 4c Gesetz Nr. 373/2011, dazu Westphalova, FamRZ 2016, 1561, 1562; Spanien: Art. 6 LTRHA (Gesetz über die Techniken der humanen assistierten Reproduktion) 2006, vgl. Riba, Spanien, in Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und Europäisches Familienrecht, Bd. 16, 2015, S. 238; die ebenfalls Anonymität vorsehende Vorgängernorm des FMED von 1938 wurde vom spanischen Verfassungsgericht ungeachtet der Regelung des Art. 39.2 der spanischen Verfassung, nach der die Ermittlung der Vaterschaft möglich sein muss, für verfassungsgemäß gehalten, weil es in Art. 39.2 der Verfassung nur um die statusmäßige Zuordnung gehe (Urt. v. 17.6.1999, Nr. 116/199, zitiert nach Riba a.a.O.). Die Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des EGMR wird auch von spanischer Seite bezweifelt, s. Riba, a.a.O., S. 239; vgl. auch Coester-Waltjen, in: Dopfel, Ehelichkeitsanfechtung durch das Kind, S. 155 f.; Griechenland: Art. 1460 ZGB; allerdings wird auch in Griechenland bezweifelt, ob diese Regelung dem Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung (als Teil der verfassungsmäßig garantierten Rechte – vgl. Koutsouradis, in Spickhoff/Schwab/Henrich/Gottwald, Streit um die Abstammung, Bd. 11, 2007, S. 205, 2011) hinreichend Rechnung trägt: Zervogianni, Griechenland, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und Europäisches Familienrecht, Bd. 16, 2015, S. 205, 212 bei Fn 51. Slowenien: Art. 18 OBMPG (Gesetz über die Behandlung der Unfruchtbarkeit und Verfahrung der Empfängnis mit biomedizinischer Hilfe), allerdings mit Ausnahmen bzgl. der gesundheitlich relevanten Daten des Spenders, vgl. Nowak, Slowenien, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und Europäisches Familienrecht, Bd. 16, 2015, Bd. 16, S. 279, 288.
[26] Henrich, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und Europäisches Familienrecht, Bd. 16, 2015, Bd. 16, S. 371, 376.
[27] Hierzu näher §§ 18–20 FMedG 2015.
[28] § 24 FMedG.
[29] Siehe Reuß, Niederlande, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, Bd. 16, 2015, S. 127, 132.
[30] Sec. 34, 35 Irish Children and Family Relations Act 2015.
[31] Sperr, Künstliche Fortpflanzung im norwegischen Recht, in: Dutta/Schwab/Henrich/Gottwald/Löhnig, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, 2015, 327, 344.
[32] Kap. 7 Gesetz (2006: 351) über die genetische Integrität.
[33] Zur EMRK-gemäßen Ausgestaltung dieses voraussetzungslosen Rechts in Schweden: Anna Singer, in: Büchler/Keller, S. 443.

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