Vor Inkrafttreten des Unterhaltsänderungsgesetzes 2007 (siehe oben unter A. II. 4.) ging man allgemein von der Verfassungsmäßigkeit des traditionellen Altersphasenmodells aus,[175] weil es dem Betreuungsbedarf des Kindes angemessen Rechnung trug.[176] Der (oben unter bb bereits erwähnte) "Zwang zur Fremdbetreuung" wird mit der nachehelichen Eigenverantwortung und ggf. dem Schutz der "Zweitfamilie" des nicht betreuenden Elternteils (Art. 6 Abs. 1 GG) begründet,[177] so dass für die grundsätzliche Tatfrage, ob eine (ggf. auch teilweise) Fremdbetreuung für das Kind schädlich oder nützlich sein kann, kein Raum (mehr) gesehen wird.[178]
Abgesehen davon, dass es zweifelhaft erscheint, in die Beurteilung der Erforderlichkeit der Eigenbetreuung nur individuelle Umstände einzubeziehen und allgemeine sozialwissenschaftliche Erkenntnisse[179] außer Betracht zu lassen, wird auch die Notwendigkeit der gleichmäßigen Verteilung der Lasten der Kinderbetreuung recht stiefmütterlich behandelt. Es begegnet Bedenken, wenn der BGH[180] annimmt, der nicht betreuende Elternteil habe den betreuenden Elternteil bei eigener vollschichtiger Erwerbstätigkeit durch einen erweiterten Umgang auch unter der Woche nicht zu entlasten. Denn bei vollschichtiger Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils verstößt das gegen die verfassungsrechtlich geforderte Gleichbehandlung beider Eltern nach Art. 3 GG.[181]
Der Autor ist Mitglied der Aderhold Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Dortmund, und Honorarprofessor der Universität Bochum. Er ist nicht Mitglied des Ausschusses Familienrecht im DAV, wurde aber dort mehrfach zur dortigen Initiativstellungnahme zur Reform des nachehelichen Ehegattenunterhaltsrechts angehört. – Meiner lieben Frau Sabine und unseren Töchtern Gerlinde, Hermine und Lillie gewidmet.
Dieser Beitrag wird in FF 7+8/2017 mit den folgenden Inhalten fortgesetzt:
3. § 1578b BGB
C. Reformvorschlag
I. Bestandsaufnahme und Kritik
1. Eigenverantwortung oder Unterhalt?
2. Asymmetrisch ausgestalteter Betreuungsunterhalt
3. Verkappte Abschaffung der Lebensstandardgarantie
4. Unterhaltsrecht nach Billigkeit
II. Reformvorschlag
1. Geänderte Grundsätze
2. Das Maß des Unterhalts
3. Unterhaltstatbestände im Einzelnen
D. Zusammenfassung und Ausblick
Autor: Prof. Dr. Winfried Born , Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Dortmund
FF 6/2017, S. 236 - 248
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