Die restriktive Einstellung des deutschen Rechts gegenüber den Methoden der medizinisch assistierten Reproduktion strahlt auch auf das Abstammungsrecht aus. Vor diesem Hintergrund hat sich in Deutschland ein blühender Reproduktionstourismus entwickelt. Die neuere Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte[1] sowie die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10. Dezember 2014[2] führen aber dazu, dass sich die Risiken, die für die Betroffenen mit einem solchen Reproduktionstourismus bislang verbunden waren, deutlich verringert haben. Wenn aber der Weg ins Ausland immer leichter wird, drängt sich die Frage auf, ob das deutsche Recht seine restriktive Haltung gegenüber der medizinisch assistierten Reproduktion nicht überdenken sollte.

[1] EuGHMR v. 26.6.2014 – Rs. 65192/11 – Mennesson/Frankreich; EuGHMR v. 26.6.2014 – Rs. 65941/11 – Labassée/Frankreich; vgl. dazu Frank, FamRZ 2014, 1525 ff. und Engel, StAZ 2014, 353 ff.; EuGHMR v. 27.1.2015 – Rs. 25358/12, Paradiso und Campanelli/Italien.
[2] BGH FamRZ 2015, 240 m. Anm. Helms = FF 2015, 198 sowie Coester-Waltjen, Ausländische Leihmütter – Deutsche Wunscheltern – Zur Entscheidung des BGH v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13, FF 2015, 186 ff. (im selben Heft).

I. Haltung des deutschen Rechts gegenüber medizinisch assistierter Reproduktion

In Deutschland sind ca. 1,2 bis 1,5 Millionen Paare ungewollt kinderlos.[3] Ein unerfüllter Kinderwunsch kann den persönlichen Lebensentwurf durchkreuzen und großes seelisches Leid verursachen. Mit Hilfe der medizinisch assistierten Fortpflanzung versucht die moderne Medizin, einen Beitrag zur Lösung dieses Problems zu leisten.

Dabei ist zwischen homologer und heterologer künstlicher Befruchtung zu unterscheiden: Bei der homologen künstlichen Befruchtung wird die Eizelle der Mutter verschmolzen mit der Samenzelle ihres Partners. Die homologe künstliche Befruchtung ist seit jeher rechtlich unproblematisch und daher nicht Gegenstand dieses Beitrags. Hiervon zu unterscheiden ist die heterologe künstliche Befruchtung. Dabei werden Keimzellen einer dritten Person verwendet. Das kann zunächst ein Samenspender sein. Dann wird die Eizelle der Wunschmutter verwendet und diese mit dem Samen des Spenders befruchtet. Oder es kann eine Eizellenspenderin hinzugezogen werden. Von den Wunscheltern stammen dann in der Regel, aber nicht notwendigerweise die Samenzellen.

Die Samenspende ist im deutschen Recht ohne Weiteres erlaubt. Dabei kommt es zu einer Aufspaltung der Vaterschaft: Auf der einen Seite steht der genetische Vater, dessen Samen verwendet werden, und auf der anderen Seite der soziale/rechtliche Vater. In Deutschland kommen pro Jahr schätzungsweise 1.000 Kinder durch Samenspende zur Welt.[4] Demgegenüber ist die zweite Methode, die Eizellenspende, nach deutschem Recht verboten. Das Embryonenschutzgesetz untersagt nämlich alle Methoden der künstlichen Befruchtung, die auf eine Aufspaltung der Mutterschaft abzielen.[5] Dabei ist hervorzuheben, dass das Embryonenschutzgesetz lediglich die Strafbarkeit der behandelnden Ärzte anordnet, demgegenüber sind die Eizellenspenderin und die Wunscheltern von jeder Strafbarkeit ausgenommen (§ 1 Abs. 3 ESchG).[6]

Ebenfalls verboten ist nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 ESchG die sog. Ersatzmutterschaft, die im vorliegenden Beitrag mit dem allgemein-üblichen Begriff als "Leihmutterschaft" bezeichnet wird. Bei einer Leihmutterschaft erfolgt die künstliche Befruchtung bei einer Frau, die mit Dritten abgesprochen hat, ihnen das Kind nach der Geburt auf Dauer zu überlassen. Denkbar ist eine Leihmutterschaft unter Heranziehung einer Eizellenspenderin sowie eines Samenspenders. Selbstverständlich können die Eizelle und der Samen auch von den Wunscheltern stammen. Soweit das aussichtsreich ist, werden in aller Regel deren Keimzellen herangezogen, denn meist besteht der Wunsch, ein möglichst genetisch eigenes Kind zu bekommen. Theoretisch denkbar wäre es auch, die Eizelle der Leihmutter selbst zu verwenden. Das wird in der heutigen Praxis jedoch üblicherweise nicht mehr gemacht, um jede genetische Beziehung zwischen dem Kind und der Leihmutter zu vermeiden.[7]

[3] Diedrich/Felberbaum/Griesinger/Hepp/Kreß/Riedel, Reproduktionsmedizin im internationalen Vergleich, Gutachten im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, 2008, S. 8. Regelmäßig wird berichtet, in Deutschland sei jedes 7. Paar ungewollt kinderlos (Wanitzek, Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, S. 191 in Fn 24). Dethloff, JZ 2014, 922 geht von 0,4 bis 1,4 Mio. Betroffenen aus, andere Quellen wieder sprechen davon, insgesamt 2 Mio. Paare seien von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen (www.gesundheit.com/gc_detail_11_a12120114.html).
[4] Katzorke, Gynäkologische Endokrinologie 2003, S. 85.
[5] § 1 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 6, Nr. 7 und Abs. 2 ESchG. Nur im Fall sog. übriggebliebener Embryonen besteht die legale Möglichkeit einer Aufspaltung der Mutterschaft (Coester, in: FS Jayme 2004, S. 1245 f.; Coester-Waltjen, Reproduktionsmedizin 2002, 183 [187]).
[6] Zur Begründung hierfür vgl. BT-Drucks ...

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