Zu dem Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge, das am 19.5.2013 in Kraft tritt, erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

Das Gesetz zur Reform der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern ist ein wichtiger – und seit Langem überfälliger – Schritt zum Wohl von Kindern, deren Eltern nicht miteinander verheiratet sind. Durch das Gesetz wird das Familienrecht an die gesellschaftlichen Realitäten angepasst. Es trägt der Tatsache Rechnung, dass unsere Gesellschaft in den vergangenen Jahren bunter und offener geworden ist und sich der Anteil der nicht-ehelichen Kinder in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt hat. Die Bereitschaft und Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme für das eigene Kind ist keine Frage des Trauscheins. Die neuen Regeln zum Sorgerecht erleichtern unverheirateten Vätern den Zugang zum Sorgerecht für ihre Kinder. Im Interesse des Kindes gibt es nun ein klares Bekenntnis zur gemeinsamen Sorge auch bei nicht verheirateten Eltern. Nach dem neuen Leitbild sollen Eltern die Verantwortung für ihr Kind grundsätzlich gemeinsam ausüben. Der Vater soll nur dann von der Sorgeverantwortung ausgeschlossen bleiben, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Daneben kann ein nicht verheirateter Vater nach den Neuregelungen auch beantragen, dass ihm die alleinige Sorge für das gemeinsame Kind übertragen werden soll, wenn er dafür Gründe im Kindeswohlinteresse vorträgt.

Zum Hintergrund:

Nach altem Recht erhielten Eltern, die nicht miteinander verheiratet waren, das gemeinsame Sorgerecht nur, wenn sie heirateten oder sich übereinstimmend für die gemeinsame Sorge entschieden. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sah darin einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, das Bundesverfassungsgericht einen Verstoß gegen Grundrechte. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner Entscheidung vom 21.7.2010 festgestellt, dass der Gesetzgeber "dadurch unverhältnismäßig in das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes eingreift, dass er ihn generell von der Sorgetragung für sein Kind ausschließt, wenn die Mutter des Kindes ihre Zustimmung zur gemeinsamen Sorge mit dem Vater oder zu dessen Alleinsorge für das Kind verweigert, ohne dass ihm die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung am Maßstab des Kindeswohls eingeräumt ist." Zwar hat auch künftig die Mutter mit der Geburt die alleinige Sorge. Allerdings ermöglicht die Neuregelung die gemeinsame Sorge immer dann, wenn das Wohl des Kindes dieser nicht entgegensteht. Um zügig Klarheit über die Sorgerechtsfrage zu erhalten, findet ein abgestuftes Verfahren statt:

Erklärt die Mutter nicht ihr Einverständnis zur gemeinsamen Sorge, kann der Vater zunächst zum Jugendamt gehen, um doch noch eine Einigung mit der Mutter zu erreichen. Wenn er diesen Weg für nicht erfolgversprechend hält, kann er auch gleich einen Sorgerechtsantrag beim Familiengericht stellen.
Im gerichtlichen Verfahren erhält die Mutter Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag des Vaters. Die Frist dafür endet frühestens sechs Wochen nach der Geburt. Durch diese Frist soll sichergestellt werden, dass die Mutter nicht noch unter dem Eindruck der Geburt eine Erklärung im gerichtlichen Verfahren abgeben muss.
Gibt die Mutter keine Stellungnahme ab und werden dem Gericht auch auf sonstige Weise keine Gründe bekannt, die der gemeinsamen Sorge entgegenstehen, soll das Familiengericht in einem schriftlichen Verfahren, ohne Anhörung des Jugendamts und ohne persönliche Anhörung der Eltern entscheiden.
Das schriftliche und sehr vereinfachte Verfahren findet jedoch nicht statt, wenn dem Gericht derartige Gründe bekannt werden. Diese Möglichkeit besteht auch in besonders gelagerten Ausnahmefällen, wenn beispielsweise erkennbar ist, dass das sprachliche Ausdrucksvermögen der Mutter stark eingeschränkt ist. Eine umfassende gerichtliche Prüfung ist mithin nur dort vorgesehen, wo sie zum Schutz des Kindes erforderlich ist. Dies trägt einer rechtstatsächlichen Untersuchung Rechnung, wonach bei Streit um das Sorgerecht häufig Gründe vorgebracht werden, die mit dem Kindeswohl nichts zu tun haben, sondern aus der Trennung der Eltern resultieren.
Das Familiengericht spricht dem Vater das Sorgerecht zu, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht (negative Kindeswohlprüfung).
Dem Vater wird der Zugang zur Alleinsorge auch ohne Zustimmung der Mutter eröffnet. Voraussetzung dafür ist, dass eine gemeinsame elterliche Sorge nicht in Betracht kommt und zu erwarten ist, dass die Übertragung auf den Vater dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Pressemitteilung des BMJ v. 16.5.2013

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