In kurzer Zeitfolge haben die beiden höchsten bundesdeutschen Gerichte sich mit der Problematik des Entzugs der elterlichen Sorge befasst,[1] jeweils vor dem Hintergrund einer durch den betreuenden Elternteil praktizierten Umgangsblockade. Diese für die Praxis damit offensichtlich außerordentlich bedeutsame Thematik ist allerdings keine neue Fragestellung, sondern sowohl Gegenstand einer langjährigen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung, als auch einer relativ zeitnahen gesetzgeberischen Reaktion auf diese Problematik.

1. Sowohl der dem Beschluss des BGH vom 26.10.2011[2] als auch der der nunmehrigen Entscheidung des BVerfG vom 28.2.2012 zugrunde liegende Sachverhalt hinterlassen den Eindruck, dass die jeweiligen Ausgangsgerichte sich bei ihrer Entscheidungsfindung nur partiell an den eindeutigen verfassungsmäßigen Voraussetzungen für den Entzug einer elterlichen Sorge orientierten und die zudem zur Verfügung stehenden einfachgesetzlichen Möglichkeiten zur – letztlich zwangsweisen – Umsetzung von Umgangsregelungen weitestgehend ausgeblendet wurden. Statt der von der Justiz zu erwartenden Hilfe bei der Umsetzung der Kinderrechte, dürften die Verfahren wohl im Ergebnis nur zu einer zusätzlichen Belastung der jeweils betroffenen Kinder geführt haben.

2. Dass § 1666 BGB nicht nur die einfachrechtliche Ausgestaltung des dem Staat nach Art. 6 Abs. 2 GG gegenüber einem minderjährigen Kind obliegenden Wächteramtes ist,[3] sondern zudem die durch Art. 8 EMRK geforderte staatliche Achtung des Familienlebens konkretisiert,[4] ist ebenso in der Rechtsprechung anerkannt, wie die Vorgabe, dass ein Eingriff in den elementarsten Kern der Personensorge nur unter restriktivsten Voraussetzungen verfassungskonform ist. Die dabei zwingend zu beachtenden beiden zentralen Voraussetzungen hat das BVerfG in seiner aktuellen Entscheidung erneut hervorgehoben.

Es muss einerseits, bedingt durch ein elterliches Fehlverhalten, für das Kind eine Gefahr existieren, die so gegenwärtig und unmittelbar ist, dass sie eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls mit relativer Sicherheit vorhersehen lässt.[5] Und andererseits darf die Gefahr nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen – als sie seitens des Gerichts beabsichtigt sind – abgewendet werden können, d.h. die zur Gefahrenabwehr gewählte Maßnahme muss sich im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht nur dem Grunde nach überhaupt zur Erreichung des angestrebten Ziels eignen, sondern auch von mehreren zur Verfügung stehenden Mitteln sich als das mildeste darstellen.

In diesem Sinn geeignete mildere Maßnahmen stehen, einfachgesetzlich geregelt, bereits langfristig auf der Grundlage des Kinder- und Jugendhilferechts zur Verfügung, wobei insbesondere, soweit das Umgangsrecht betroffen ist, etwa in § 18 Abs. 3 SGB VIII ausdrücklich eine unterstützende Funktion der Jugendämter statuiert ist, sowohl für Kinder und Jugendliche, als auch für die Eltern selbst und auch andere Umgangsberechtigte.

Als nächstintensivere Maßnahme kann auf die Einrichtung einer Umgangspflegschaft zurückgegriffen werden. Hier hat der Gesetzgeber durch Art. 50 Nr. 28 und 29 FGG-RG mit Wirkung zum 1.9.2009 die §§ 1684 Abs. 3 und 1685 Abs. 3 BGB neugefasst und die bis dahin zwar anerkannte, aber allein auf § 1666 BGB aufbauende Umgangspflegschaft ausdrücklich gesetzlich verankert, gleichzeitig verbunden mit dem Recht des Umgangspflegers, zur Durchführung des Umgangs, die Herausgabe des Kindes zu verlangen und während der Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen.[6] Hierdurch ist die gesetzgeberische Intention – bereits unterhalb der Schwelle der Kindeswohlgefährdung effektive Maßnahmen zur Umsetzung des Rechts des Kindes auf Umgangskontakt zur Verfügung zu stellen – ausdrücklich hervorgehoben worden.

Letztlich hat der Gesetzgeber als einen Schwerpunkt des FGG-RG die bei der Vollstreckung von Umgangsentscheidungen zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten deutlich verschärft,[7] indem die bisherigen Zwangsmittel durch Ordnungsmittel (§ 89 FamFG) ersetzt wurden. Flankiert durch das in § 155 FamFG verankerte Vorrang- und Beschleunigungsgebot wird die gesetzgeberische Absicht untermauert, in Kindschaftssachen nicht nur eine zeitnahe Entscheidung herbeizuführen, sondern diese auch konsequent umsetzen zu können, da nur so den berechtigten Interessen der von diesen Verfahren betroffenen Kinder gerecht werden kann.

3. Es existieren damit umfassende einfachgesetzliche Grundlagen, auf welche zurückgegriffen werden kann, um im Interesse eines Kindes dessen Umgangskontakt mit dem nicht betreuenden Elternteil zu unterstützen. Die Erfahrungen in der Praxis zeigen leider jedoch, dass es nach wie vor einem den Umgang boykottierenden Elternteil allzu leicht gemacht wird. Auch wenn nach § 156 Abs. 1 S. 1 FamFG das Gericht in Kindschaftssachen auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken soll, kann dies nicht bedeuten, dass in einer mündlichen Verhandlung dem betreuenden Elternteil se...

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