[1] I. Das Familiengericht bewilligte der Antragsgegnerin mit Beschl. v. 1.10.2015 Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung des gegen sie anhängig gemachten Scheidungsverfahrens. Mit Beschl. v. 29.11.016 hob es die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe auf, weil die Antragsgegnerin absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht, insbesondere ihren Grundbesitz in Ungarn nicht angegeben habe. Die hiergegen eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

[2] Am 27.12.2016 hat die Antragsgegnerin erneut Verfahrenskostenhilfe beantragt, dabei ihr Grundvermögen in Ungarn angegeben und dargelegt, dass dieses nicht verwertbar sei. Das Familiengericht hat den Antrag mit Beschl. v. 24.2.2017 abgelehnt, das Oberlandesgericht die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich ihre zugelassene Rechtsbeschwerde.

[3] II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

[4] 1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 S. 2, 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO) und es um Fragen des Verfahrens der Verfahrenskostenhilfe geht (vgl. Senatsbeschl. v. 8.5.2013 – XII ZB 282/12, FamRZ 2013, 1390 Rn 7 m.w.N.). Sie ist auch im Übrigen zulässig.

[5] 2. Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.

[6] a) Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Bei der Aufhebung der ersten Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe habe im Hinblick auf die falschen Angaben der Sanktionscharakter im Vordergrund gestanden. Dabei sei es nicht darauf angekommen, ob die erste Bewilligung auf den falschen Angaben beruhe. Es genüge vielmehr, dass diese generell geeignet seien, die Entscheidung über die Verfahrenskostenhilfe zu beeinflussen. Konsequent müsse damit auch eine Neubewilligung nach erfolgter Aufhebung ausscheiden, weil ansonsten der Sanktionscharakter der gesetzlichen Regelung unterlaufen würde.

[7] b) Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

[8] aa) Durch den Antrag vom 27.12.2016 ist ein neues Verfahren auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe in Gang gesetzt worden. Das neue Verfahren erfordert grundsätzlich eine neue Prüfung der Bewilligungsvoraussetzungen.

[9] bb) Dem steht auch nicht die Rechtskraft des Aufhebungsbeschlusses vom 29.11.2016 entgegen. Denn ein die Verfahrenskostenhilfe versagender Beschluss erlangt zwar formelle, aber keine materielle Rechtskraft. Allerdings kann es ausnahmsweise an einem Rechtsschutzbedürfnis für die erneute Antragstellung fehlen, wenn auf der Grundlage desselben Lebenssachverhalts ein vorheriger Antrag gleichen Inhalts bereits zurückgewiesen oder nachträglich aufgehoben worden ist und ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung wegen Fristablaufs nicht mehr eingelegt werden kann oder die eingelegten Rechtsbehelfe keinen Erfolg hatten (vgl. Senatsbeschl. v. 19.8.2015 – XII ZB 208/15, FamRZ 2015, 1874 Rn 10 f. m.w.N.).

[10] Hier ist jedoch die erste Bewilligung aufgehoben worden, weil die Antragsgegnerin im ersten Bewilligungsverfahren falsche Angaben über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hatte. Im Rahmen ihres erneuten Antrags sind derartige Falschangaben nicht festgestellt; insbesondere hat die Antragsgegnerin den in ihrem ersten Antrag nicht aufgeführten ungarischen Grundbesitz jetzt angegeben. Somit liegt dem neuen Antrag ein anderer Sachverhalt zugrunde.

[11] cc) In der Sache hat das Oberlandesgericht den mit der Aufhebung der Erstbewilligung verbundenen Sanktionscharakter zu Unrecht auf das erneute Bewilligungsverfahren übertragen. Wie der Senat bereits entschieden hat, kann eine Verwirkung des Anspruchs auf Verfahrenskostenhilfe nicht mit einer analogen Anwendung des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO begründet werden (Senatsbeschl. v. 19.8.2015 – XII ZB 208/15, FamRZ 2015, 1874 Rn 13).

[12] (1) Gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO soll das Gericht die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe aufheben, wenn der Beteiligte absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat diese Vorschrift vor allem Sanktionscharakter. Daher kann das Gericht die Verfahrenskostenhilfebewilligung bei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit gemachten falschen Angaben des Antragstellers auch dann aufheben, wenn die Bewilligung nicht auf diesen Angaben beruht, sofern die falschen Angaben jedenfalls generell geeignet erscheinen, die Entscheidung über die Verfahrenskostenhilfe zu beeinflussen. Wird eine bewilligte Verfahrenskostenhilfe in Anwendung dieser Vorschrift widerrufen, wirkt sich der Sanktionscharakter dahin aus, dass die staatliche Leistung nachträglich entzogen wird und der Antragsteller zur Erstattung der Kosten und Auslagen herangezogen werden kann (Senatsbeschl. v. 19.8...

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