In den meisten Bundesländern ist nicht gewährleistet, dass die in den Familiensenaten der Oberlandesgerichte tätigen Richterinnen und Richter vor ihrer Beförderung bzw. vor Übertragung der Geschäfte Erfahrung in Familiensachen oder gar Grundkenntnisse des Kindschaftsrechts mit seinen vielfältigen außerjuristischen Bezügen erworben haben. Hintergrund ist, dass der Zugang zum Beförderungsamt im Rahmen der sog. Bestenauslese nicht von diesem Gesichtspunkt abhängig gemacht wird bzw. – nach Ansicht mancher Ministerien – werden dürfe. Abhilfe geschaffen werden könnte jedenfalls dadurch, dass das Gerichtsverfassungsgesetz – etwa durch eine Erweiterung des § 119 GVG – dergestalt geändert wird, dass einem Richter/einer Richterin ohne mehrjährige Erfahrung als Familienrichter am Amtsgericht die Geschäfte eines Beisitzers in einem Familiensenat nicht übertragen werden dürfen.

Unbeschadet dessen wird teilweise ohnehin die Ansicht vertreten, dass eine entsprechende Übung bei der Besetzung von Beförderungsstellen auch mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG (Zugang zum Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung) verfassungsrechtlich unbedenklich ist, so dass hier in den Fällen, in denen im Stellenbesetzungsverfahren schon eindeutig ist, in welchem Senat eines Oberlandesgerichts eine Stelle zu besetzen sein wird, bei einer vakanten Stelle in einem Familiensenat ausschließlich ein(e) Bewerber(in) zum Zuge kommen sollte, der/die eine entsprechende Qualifikation für diese Tätigkeit bereits nachgewiesen hat. Sinnvoll ist dies allemal, denn auch ein Spitzenjurist ist nicht denknotwendig geeignet, ohne entsprechende Vorkenntnisse und Vorerfahrungen in einem Familiensenat tätig zu sein. Um es deutlich zu formulieren: Der Trainer einer Bundesligamannschaft würde den Stürmer niemals nur deswegen als Torhüter aufstellen, weil er ein herausragender Fußballspieler ist.

Was im Bereich der beisitzenden RichterInnen in einem Familiensenat gelten soll, sollte – ggf. nach einer Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes – erst recht für die Auswahlentscheidung hinsichtlich der Beförderung in das Vorsitzendenamt (vgl. § 21f GVG) bzw. für die Zuweisung entsprechender Geschäfte durch das Präsidium gelten. Die Vorsitzenden der Familiensenate sind die ranghöchsten FamilienrichterInnen eines Bundeslandes. Sie sollen die Qualität und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung des Spruchkörpers in besonderem Maße gewährleisten und in der Lage sein, auf die Rechtsprechung des Senats richtungsweisenden Einfluss zu nehmen (vgl. nur BGH NJW 1968, 501). Dass es vor diesem Hintergrund einer umfassenden Kenntnis der Rechtslage und der Entwicklung in der Rechtsprechung sowie – vorliegend – jedenfalls eines Basiswissens in den angrenzenden außerjuristischen Bereichen bedarf, dürfte wohl nicht in Abrede zu stellen sein. Und trotzdem wird dieses herausgehobene Amt in der Familiengerichtsbarkeit viel zu häufig selbst dann übertragen, wenn bei einem Bewerber/einer Bewerberin keinerlei oder nur rudimentäre Vorerfahrungen im Bereich des Familienrechts vorhanden sind. Eine Ausnahme stellt insoweit Hessen dar, wo bereits die Ausschreibung einer entsprechenden Stelle mit dem Zusatz erfolgt, dass es besonderer Erfahrung in Familiensachen bedarf.

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