Eva Becker

… fegte der Gesetzgeber im letzten Jahr über das Familienrecht hinweg!

Nach der Bereinigung des Rechts der Lebenspartner im Jahr 2015 und der Änderung des Sachverständigenrechts und des FamFG im Jahr 2016, das auch die neuen EU- Güterrechtsverordnungen brachte, überschlugen sich im Jahr 2017 die Gesetzesänderungen:

Nach der "Bekämpfung von Kinderehen" mit dem Mittel der ausnahmslosen Anhebung des Eheschließungsalters auf das 18. Lebensjahr (Gesetz v. 17.7.2017, BGBl I 2017 Nr. 48, S. 2429) und dem Ausschluss der Feststellung der Abstammung des Samenspenders als Vater des Kindes (§ 1600d Abs. 4 BGB i.d.F. ab 1.7.2018) mit dem Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen (Gesetz v. 17.7.2017, BGBl I 2017 Nr. 48, S. 2513) wurde nur wenige Tage später "zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" (Gesetz v. 20.7.2017, BGBl I, Nr. 52, S. 2780) – von vielen unbemerkt – mit einem verwaltungsrechtlich anmutenden Fremdkörper (§ 1598a BGB) die missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft verboten und zugleich mit der "Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" das Institut der Ehe verändert (Gesetz v. 20.7.2017, BGBl I, Nr. 52, S. 2787).

Die Aufzählung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und sie enthält auch nicht die zahlreichen Gesetzesentwürfe, die es wegen des Ablaufs der Wahlperiode oder aus anderen Gründen nicht bis zur Verabschiedung eines Gesetzes gebracht haben, wie der Entwurf zum Scheinvaterregress.

Diese Gesetzesänderungen greifen massiv in das komplexe System des Familienrechts ein und befassen zugleich nicht die zentralen reformbedürftigen Themen, wie die Neuordnung des Abstammungsrechts, die Reform des Kindschaftsrechts und daraus folgend des Unterhaltsrechts. Nur punktuell wird in die Abstammung eingegriffen. Dabei ist allerdings nicht klar erkennbar, welchem Konzept gefolgt wird: Wenn dem Kind eines Samenspenders ein Recht auf Kenntnis seiner Abstammung eingeräumt wird, wird auch das durch Eizellspende – die in Deutschland zwar verboten ist, aber im Ausland stattfindet – gezeugte Kind diesen Anspruch haben sollen. Wenn man Samenspendern zubilligt, nicht als Vater festgestellt werden zu können, wird das auch für die Leihmutter gelten und die Wunschmutter nicht länger blockiert werden sollen. Wenn die werdende Mutter eine Ehefrau hat, sollte diese, wie bisher der Ehemann, kraft Gesetzes zur Co-Mutter werden – oder etwa nicht?

Die Ratsuchenden – und ihre Anwälte – dürfen gesetzgeberische Antworten auf solche Fragen erwarten und das bereits im Zuge der Gesetzesänderung, nicht erst hernach.

Dafür scheint in der laufenden Wahlperiode gesorgt: Der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Dr. Katharina Barley, die im vergangenen Jahr – noch als Familienministerin – unsere Herbsttagung in Berlin mit einem Grußwort eröffnet hat, geht es nicht darum, "… was sich möglicherweise auf der Basis von Schlagzeilen gerecht anfühlt" ("Die Zeit", Interview vom 22.3.2018). Mit dieser Haltung kann man durchatmen und gelassen die notwendigen Reformen des Abstammungs-, Kindschafts- und Unterhaltsrechts angehen, ohne dass die Reformen am Ende mehr Fragen aufwerfen als beantworten.

Dabei wollen und können wir den Gesetzgeber unterstützen. Denn keine andere Profession befasst sich so intensiv und ausdauernd mit den rechtlichen Bedürfnissen von Eltern, Eheleuten und Kindern wie wir Familienanwälte.

Was wir nicht gerne leisten, ist die Lösung von rechtlichen Problemen, für die Mandanten nur deshalb zahlen müssen, weil die atemlose – vermeintlich von den Umständen getriebene – Schaffenskraft des Gesetzgebers Insellösungen hervorbringt, die an dem Bedarf eines in sich schlüssigen Systems im Familienrecht vorbeigehen und statt dessen der "besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" und anderem dienen sollen.

Autor: Eva Becker

Eva Becker, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Berlin

FF 5/2018, S. 177

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