Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 6.2.2001[24] zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen der bisherigen Linie des BGH – einer fast grenzenlosen Vertragsfreiheit – den Boden entzogen hatte, stand der BGH vor der Notwendigkeit einer Neuorientierung. Die Chance einer grundsätzlichen Neuorientierung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit wurde nicht wahrgenommen, vielleicht weil die Zeit noch nicht reif war, vielleicht weil Einsicht und Mut fehlten. Stattdessen reagierte der Familienrechtssenat des BGH "dogmatisch" mit der inzwischen sehr kleinteiligen und ausdifferenzierten Unterscheidung zwischen Wirksamkeits- und Ausübungskontrolle von Eheverträgen – nach § 138 BGB einerseits und § 242 BGB andererseits sowie der sog. Kernbereichslehre.[25] Der Bedeutung der Familienarbeit ist er auf diesem Weg (verdeckter) richterlicher Rechtsfortbildung nicht gerecht geworden. Dogmatik kann dazu beitragen, die Ordnung und Gewichtung von Fakten, Gesichtspunkten und Argumenten zu systematisieren, sie kann Komplexität reduzieren, sie kann Strukturen und Wertungszusammenhänge sichtbar machen, die notwendigen Wertungsentscheidungen ersetzen kann sie nicht. Dogmatik funktioniert gut und überzeugend für Regelungskomplexe, die konstruktiv konsistent sind und auf einem stimmigen Wertungskonzept beruhen. Sie stößt an ihre Grenzen, wenn die einschlägigen Normenkomplexe widersprüchlich sind oder wenn sie historische Verwerfungen aufweisen, wie gerade das Güterrecht.[26] Sie hilft nur eingeschränkt auf der Grenze von Auslegung und richterlicher Rechtsfortbildung. Daher ist es ein Gebot der Methodenehrlichkeit, Konstruktion und Wertung auseinanderzuhalten und bestimmte Ergebnisse nicht als quasi-naturgesetzliches Produkt einer bestimmten Konstruktion zu legitimieren. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Familienrecht weist mehr Rechtsfortbildung auf, als sie es vielleicht wahrhaben will, ich verweise nur auf das Nebengüterrecht mit seinen Verästelungen[27] oder die Kehrtwende bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft[28] und bei den Schwiegerelternschenkungen.[29] Eine technisch gehandhabte Kernbereichslehre ist jedenfalls nicht geeignet, dem verfassungsrechtlichen Postulat der Gleichwertigkeit von Familienarbeit und Erwerbsarbeit stimmig im Familienrecht zur Geltung zu verhelfen.

[24] NJW 2001, 957.
[25] Zur Entpolitisierung und Redogmatisierung der Familienrechtsdiskussion Röthel, Familienrechtswissenschaft (Fn 2), AcP 214 (2014), 609.
[26] Siehe zur umfassenden Vertragsfreiheit im Güterrecht als historischem Missverständnis Meder (Fn 21).
[27] Zum Nebengüterrecht als Produkt höchstrichterlicher Rechtsfortbildung Dauner-Lieb, Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Ehegatteninnengesellschaft – offene Fragen zum Verhältnis von Güterrecht und Gesellschaftsrecht, FuR 2009, 361; umfassend aus der Sicht der Praxis Herr, Nebengüterrecht, 2013.
[28] BGH NJW 2008, 3277; grundlegend dazu Hoischen (Fn 7).
[29] BGH NJW 2010, 2202; dazu grundlegend die Dissertation von Leszczenski, Rückforderung schwiegerelterlicher Zuwendungen, 2016.

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