Familienarbeit (neuerdings auch: care work) ist kein juristischer Begriff und wird im deutschen familienrechtlichen Diskurs bisher so gut wie nicht verwendet. Der § 1356 BGB spricht als Gegenbegriff zur Erwerbstätigkeit von Haushaltsführung und adressiert die Haushaltsführung in Absatz 1 sogar vor der Erwerbstätigkeit in Absatz 2. Was ist aber nun Haushaltsführung? Ist Haushaltsführung identisch mit Familienarbeit und welche juristische Bedeutung hat Haushaltsführung? Was Erwerbstätigkeit ist, wissen wir: Es sind die Aktivitäten, denen man nachgeht, um die Mittel zu erwirtschaften, die zur Finanzierung des Lebensunterhaltes benötigt werden, eben die Berufstätigkeit, die Erwerbstätigkeit. Sie steht häufig im Vordergrund des eigenen Selbstverständnisses und der gesellschaftlichen Wertschätzung. Die Haushaltsführung wird heute meist "negativ" abgegrenzt, als Inbegriff dessen, was jenseits der Erwerbsarbeit und als Voraussetzung der Erwerbsarbeit so alles ganz unvermeidlich anfällt: Nahrungsbeschaffung und Nahrungszubereitung, Wäsche und Instandhaltung von Kleidung, Reinigung des Wohnraums, sozialwissenschaftlich formuliert, Reproduktionsarbeit. Im Singlehaushalt werden diese Aktivitäten vom jeweiligen Individuum nach seinen eigenen Vorstellungen erledigt, manchmal auch outgesourced, aber schon die regelmäßige Weggabe von Wäsche ist teuer und zeigt den ökonomischen Wert von Haushaltsaktivitäten außerhalb des eigenen Haushalts und in der Realität der Marktökonomie. Wird nun aus Haushaltsaktivitäten Familienarbeit, nur weil sie – arbeitsteilig oder nicht – in einem Mehrpersonenhaushalt erledigt wird? Da sich das "bisschen Haushalt" bekanntlich "von allein macht", ist Familienarbeit offensichtlich mehr als bloße Hausarbeit wie Einkaufen, Waschen und Kochen.

Intuitiv verbinden wir den Begriff der Familienarbeit mit der Versorgung von und der Fürsorge für Menschen, die noch nicht oder nicht mehr erwerbstätig sein können und auch nicht in der Lage sind, die Herausforderungen des Alltags allein zu bewältigen, also Kinder und/oder kranke oder alte Angehörige. Dabei gehen wir zu Recht davon aus, dass diese Versorgung und Fürsorge regelmäßig weit über normale Haushaltsaktivitäten hinaus Zeit und Kraft bindet, schon weil sie sehr viel schwieriger planbar ist, also ein hohes Maß an zeitlicher Flexibilität erfordert. Wie wertvoll und damit teuer diese Fürsorge in der Marktökonomie der Erwerbswirtschaft ist, zeigen die Kosten für qualifizierte und professionelle Kinderbetreuung oder Altenpflege. Typisch für eine Wahrnehmung dieser Versorgung und Fürsorge "im eigenen Haushalt" als Familienarbeit ist aber, dass gerade nicht permanent Stunden und Handgriffe unter Effizienzgesichtspunkten gezählt und nach erwerbswirtschaftlich-finanziellen Maßstäben abgerechnet werden. Typisch für Familienarbeit ist vielmehr, dass sie von einer – wie Papst Franziskus es gerade formuliert hat – "personalen Beziehung" getragen wird.[4] Die Liebe ist langmütig und freundlich, so heißt es (1. Korinther 13), die Liebe rechnet nicht, so könnte man ergänzen. Weiterhin typisch für Versorgung und Fürsorge "im eigenen Haushalt" unter Verzicht auf ein Outsourcing – weil es keine Angebote gibt, weil man es nicht bezahlen kann, oder weil man es einfach nicht übers Herz bringt – ist, dass damit eine typische, familienfremden Sachzwängen unterliegende Vollzeiterwerbstätigkeit oft schwer zu vereinbaren ist. Da ein Modell einer angemessenen gesellschaftlichen Finanzierung von Familienarbeit noch nicht gefunden oder vielleicht noch nicht einmal ernsthaft gesucht worden ist, bedeutet dies, dass diese Arbeit in der Familie und für die Familie zu Lasten der eigenen Erwerbstätigkeit und Erwerbsbiografie regelmäßig durch die Erwerbstätigkeit einer weiteren Person finanziert werden muss. Diese weitere erwerbstätige Person kann häufig ihrerseits nur deshalb erfolgreich erwerbstätig sein und gleichzeitig Familie haben, weil ihr der Rücken von der Haus- und Familienarbeit frei gehalten wird. Familie und Familienarbeit ohne funktionierende Paarbeziehung ist daher eine schwer zu bewältigende Herausforderung.

[4] Bemerkenswert in die gleiche Richtung zielt die Definition der nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch das BVerfG NJW 1993, 643, 645, es handle sich um eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft … , die daneben keine Lebensgemeinschaft gleicher Art zulasse und sich durch innere Bindungen auszeichne, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen; ähnlich auch BGH NJW 2006, 2687.

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