Die Klage ist begründet.

1. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2014 vom 7.5.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 8.6.2015 sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zu Unrecht hat die Beklagte Aufwendungen von 2.433,65 EUR nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG vor Abzug der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG berücksichtigt.

a) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Abs. 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird, § 33 Abs. 1 EStG.

Unter dem Begriff der Aufwendungen sind dabei bewusste und gewollte Vermögensverwendungen u.a. Geldausgaben zu verstehen (Schmidt/Loschelder, 34. Aufl., § 33 Rn 6). Im Termin der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten unstreitig gestellt, dass ein Betrag i.H.v. 2.433,65 EUR, den die Klägerin bewusst aufgewandt hat, auf die Scheidungskosten entfällt.

Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen, § 33 Abs. 2 S. 1 EStG.

Die Rechtsprechung stellt für die Entscheidung darüber, ob Aufwendungen aus rechtlichen Gründen zwangsläufig angefallen sind, auf die wesentliche Ursache ab, die zu den jeweiligen Aufwendungen geführt hat. Die Zwangsläufigkeit im Rahmen des § 33 Abs. 2 EStG ist danach nicht allein an der unmittelbaren Zahlungsverpflichtung zu messen, sondern es muss auch das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein (BFH, Urt. v. 18.6.2015 – VI R 17/14, BFHE 250, 153, BStBl II 2015, 800). Bei Ehescheidungen muss im Regelfall davon ausgegangen werden, dass sich die Ehepartner nur scheiden lassen, wenn die Ehe so zerrüttet ist, dass ihnen ein Festhalten an ihr nicht mehr möglich ist, sie sich also dem Scheidungsbegehren aus tatsächlichen Gründen nicht entziehen können. Deshalb ist die Zwangsläufigkeit bei Ehescheidungen grundsätzlich zu bejahen (BFH v. 2.10.1981 – VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116). Die den Umständen nach notwendigen und auch angemessenen Aufwendungen i.H.v. 2.433,65 EUR sind der Klägerin mithin auch zwangsläufig entstanden.

b) Die Aufwendungen sind nicht nach § 33 Abs. 2 S. 4 EStG vom Abzug ausgeschlossen.

Nach dieser Norm sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

Ehescheidungskosten gehören nach dem im Gesetz objektivierten Willen des Gesetzgebers nicht zu den Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten). Dieses Ergebnis ist u.a. im Wege der objektiven Auslegung zu gewinnen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.5.1960 – 2 BvL 11/59, 2 BvL 11/60, BVerfGE 11, 126, NJW 1960, 1563).

aa) Bereits nach dem Gesetzeswortlaut unter Berücksichtigung der Rechtssystematik gehören Ehescheidungskosten nicht zu den Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten). Unter dem Begriff der Führung ist dabei sowohl der Aktiv- als auch der Passivprozess zu verstehen. Die Führung erstreckt sich von Anfang bis Ende eines Rechtsstreits. Allerdings fällt das Ehescheidungsverfahren nicht unter den Begriff des Rechtsstreits. Aufwendungen für einen Rechtsstreit werden vom Gesetz in § 33 Abs. 2 S. 4 EStG mit Prozesskosten legal definiert. Rechtssystematisch wird der Begriff der Kosten des Rechtsstreits auch in § 91 Abs. 1 ZPO verwandt, wonach die unterliegende Partei die "Kosten des Rechtsstreits" zu tragen hat. § 93 ZPO benutzt darüber hinaus den Begriff der Prozesskosten. Diese kostenrechtlichen Regelungen finden gem. § 113 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) keine Anwendung. Gem. § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG tritt bei der Anwendung der Zivilprozessordnung an die Stelle der Bezeichnung Prozess oder Rechtsstreit die Bezeichnung Verfahren. Sowohl der Begriff des Prozesses als auch der Begriff des Rechtsstreits sind demnach aufgrund der Regelung des § 113 Abs. 5 Nr. 1 FamFG ausdrücklich gesetzlich suspendiert. In der Folge spricht auch § 150 FamFG, der die Kosten in Scheidungssachen und Folgesachen regelt, nicht von Prozesskosten oder Kosten des Rechtsstreits, sondern von Kosten der Scheidungssache. Ebenso spricht § 132 FamFG, welcher die Kosten bei Aufhebung der Ehe regelt, von den Kos...

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