Interview mit Dr. Hubert W. van Bühren, Rechtsanwalt und langjähriger Präsident der RAK Köln

Dr. Hubert W. van Bühren

FF/Schnitzler: Sie waren in Ihrer langjährigen beruflichen Tätigkeit immer bestrebt über den Tellerrand zu schauen, also nicht nur in Ihrer eigenen Praxis, sondern auch in Anwaltsorganisationen tätig zu sein. Sie waren fast 30 Jahre lang im Kammervorstand der Rechtsanwaltskammer Köln, zuletzt als Präsident der Kammer, die immerhin die fünftgrößte Kammer in der Bundesrepublik ist, mit rund 13.000 Mitgliedern. Teilen Sie meine Meinung, dass sich die Anwaltschaft in den letzten 30–40 Jahren enorm gewandelt hat, insbesondere durch die Spezialisierung, aber auch durch die sogenannten Bastille-Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts von 1987?

Dr. van Bühren: Herr Kollege Schnitzler, die Anwaltschaft hat sich sicherlich sehr gewandelt. Sie ist vor allen Dingen viel, viel größer geworden. Als ich vor 40 Jahren Anwalt wurde, gab es in der ganzen Republik 20.000 Rechtsanwälte, heute gibt es 165.000 Rechtsanwälte. Ich war bereits 1987 Mitglied des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer Köln, als das Bundesverfassungsgericht die Standesrichtlinien der Bundesrechtsanwaltskammer für verfassungswidrig erklärte.

Der allgemein befürchtete "Wildwuchs" und Verfall der Sitten unter Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten sind nicht eingetreten. Die meisten Rechtsanwälte verhalten sich nach wie vor sehr gesetzestreu und standeskonform; gerade die jungen Kolleginnen und Kollegen waren es, die mich während meiner Zeit als Präsident um Rat gefragt haben, wie sie sich "standesgerecht" zu verhalten hatten. Wenn ich, was selten genug vorkam, einem Kollegen die Zulassung entziehen musste, dann waren es meistens ältere Kollegen, die in Vermögensverfall geraten waren. Die jungen Kolleginnen und Kollegen leben oft schon "in geregelter Armut", während ältere Kollegen, die früher gut verdient hatten, jetzt mit den Marktbedingungen nicht mehr Schritt halten konnten.

FF/Schnitzler: Sie sind selbst Fachanwalt für Versicherungsrecht, haben zahlreiche Bücher zu diesem Fachgebiet, aber auch zum Verkehrsrecht geschrieben. Auch in Ihrer Praxis beschäftigen Sie, soweit ich gesehen habe, Fachanwälte für verschiedene Gebiete. Wir haben inzwischen 21 Fachanwaltschaften. Ist das allmählich nicht ein wenig zu viel? Und ist es richtig gewesen, die Höchstzahl von 2 Fachanwaltschaften für eine Person auf 3 festzusetzen?

Dr. van Bühren: Nun, ich bin selbst ein bisschen mitverantwortlich für die Vielzahl von Fachanwälten, weil ich seinerzeit Vorsitzender des Ausschusses 1 der Satzungsversammlung war, der in der 3. Legislaturperiode insgesamt zehn neue Fachanwaltschaften kreiert hat.

Ich halte die Spezialisierung für wichtig: "Wer alles kann, kann nichts" ist nicht nur eine Volksweisheit, sie spielt gerade in unserem Beruf eine große Rolle. Ob die Vielzahl von Fachanwaltschaften heute noch gerechtfertigt ist, kann mit Fug und Recht bezweifelt werden. Ich meine, den Fachanwalt für Agrarrecht hätten wir uns sicherlich sparen können, auch den Fachanwalt für Transportrecht.

Was die nunmehr zulässige Höchstzahl von drei Fachanwaltschaften angeht, so habe ich seinerzeit gegen die Ausweitung gestimmt. Wer drei Fachanwaltschaften anbietet, gibt damit zu erkennen, dass ihn keine dieser Fachanwaltschaften ausreichend beschäftigt. Es kommt hinzu, dass jeder Fachanwalt pro Kalenderjahr (ab 2015) 15 Fortbildungsstunden in jedem Fachgebiet nachweisen muss. Nein, zwei Fachanwaltsgebiete sind ausreichend, wenn es nach mir ginge, könnte jeder Rechtsanwalt nur einen einzigen Fachanwaltstitel führen.

FF/Schnitzler: Sie haben das schon angesprochen, die Fortbildung der Fachanwälte ist durch einen Beschluss der Satzungsversammlung verschärft worden. Sehen Sie in den einzelnen Fachanwaltschaften, insbesondere im Familienrecht, die Ausgewogenheit zwischen praktischer Erfahrung und theoretischen Kenntnissen gewahrt?

Dr. van Bühren: Auch das ist ein Thema, das uns schon lange beschäftigt. Sie wissen, dass in allen Fachgebieten die Bearbeitung einer bestimmten Anzahl von Fällen innerhalb von drei Jahren nachzuweisen ist. Im Familienrecht sind dies 120 Fälle.

Allerdings sind die Vorprüfungsausschüsse der Kammern nur Zählkommissionen, sie dürfen keine Qualitätsprüfung vornehmen. Entscheidend ist allein die Zahl der bearbeiteten Fälle.

Ich erinnere mich an eine Kollegin, die vor einigen Jahren bei meiner Kammer die Zulassung als Fachanwältin für Familienrecht anstrebte. Sie legte eine Vielzahl von Fällen vor, die so schlecht bearbeitet waren, dass wir befürchteten, regresspflichtig zu werden, wenn wir sie zur Fachanwältin promovierten. Wir haben sie zum Fachgespräch geladen, die Kollegin hat sich geweigert und auf Verleihung des Fachanwaltstitels Familienrecht geklagt. Der BGH hat ihr Recht gegeben und ausdrücklich erklärt, dass die Rechtsanwaltskammern keine Qualitätsprüfungen vornehmen dürfen. Rechtsanwaltskammern dürfen nur prüfen, ob 120 Fachlehrgangsstunden absolviert wurden, ob drei ...

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