"Der Fachanwalt ist tot; es lebe der Spezialist!" – das war die Befürchtung vieler Rechtsanwälte, vor allem zahlreicher Vertreter von Rechtsanwaltskammern und Mitgliedern der Satzungsversammlung, nach der denkwürdigen Spezialisten-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28.7.2004.[1] Das BVerfG hat bekanntlich festgestellt, dass es einem Rechtsanwalt, der anerkanntermaßen ein Spezialist für Verkehrsrecht (das damals noch nicht mit einer Fachanwaltschaft belegt war) sei, nicht verwehrt werden könne, auf seinem Briefbogen die Bezeichnung "Spezialist für Verkehrsrecht" zu verwenden. Der Entscheidung lag der – sicher außergewöhnliche – Fall eines Rechtsanwalts zugrunde, der seit über 40 Jahren (ausschließlich) auf dem Gebiet des Verkehrsrechts anwaltlich tätig war, seit ebenfalls mehreren Jahrzehnten allen namhaften mit dem Verkehrsrecht befassten Berufsorganisationen angehörte und in großem Umfang auch publizierend und dozierend wirkte.

Diejenigen, die hier die Götterdämmerung der Fachanwaltschaften heraufziehen sahen, fürchteten, dass angesichts der attraktiven Möglichkeit, sich als "Spezialist für …" bezeichnen zu können, kaum noch ein Rechtsanwalt die Mühen der Erlangung eines Fachanwaltstitels auf sich nehmen werde. Wer die bunte Welt der Kanzleibriefbögen, Werbeanzeigen von Rechtsanwälten und Anwalts-Homepages überblickt, hat in den Jahren nach 2004 allerdings feststellen können, dass der Run auf die Spezialisten-Bezeichnung vollständig ausgeblieben ist. Zu den Gründen hierfür später mehr.

Die Satzungsversammlung reagierte auf die Spezialisten-Entscheidung, durch die § 7 BORA a.F. für verfassungswidrig erklärt worden war, mit der Schaffung eines neuen § 7.[2] Dieser sieht in Absatz 1 die Möglichkeit der Benennung von "Teilbereichen der Berufstätigkeit" ohne und mit sog. qualifizierenden Zusätzen vor, bestimmt in Absatz 2 allerdings, dass Benennungen nach Absatz 1 unzulässig sind, "soweit sie die Gefahr einer Verwechslung mit Fachanwaltschaften begründen oder sonst irreführend sind". In Ausführung bzw. Interpretation dieser Regelung haben viele Kammervorstände die Entscheidung getroffen, dass eine Verwendung des Begriffs "Spezialist" auf solchen Rechtsgebieten nicht zulässig sei, die mit einer Fachanwaltschaft belegt sind.[3]

Diese Sichtweise, deren Richtigkeit vereinzelt in Frage gestellt wurde,[4] bestätigt nun das OLG Karlsruhe. Die klagende Rechtsanwaltskammer hatte einem ihrer Mitglieder verboten, im geschäftlichen Verkehr und insbesondere auf dem Briefkopf seiner Kanzlei mit dem Begriff "Spezialist für Familienrecht" zu werben. Die Kammer machte dabei geltend, die Verwendung dieser Bezeichnung sei irreführend, weil die von dem beklagten Rechtsanwalt nachgewiesene Qualifikation nicht der Verkehrserwartung an einen Spezialisten entspreche. Für eine solche Bezeichnung müsse zumindest die Qualifikation eines Fachanwalts vorliegen, die der Anwalt aber nicht dargelegt habe.

Das Oberlandesgericht bestätigt, wie schon die Vorinstanz, einen Unterlassungsanspruch der Rechtsanwaltskammer nach den §§ 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 BORA, ohne sich mit der von der Anwaltskammer problematisierten Frage zu beschäftigen, ob der beklagte Rechtsanwalt die hohen und höchsten Anforderungen, die das BVerfG an einen "Spezialisten" stellt, erfüllt. Vielmehr beschränken sich die Karlsruher Richter interessanter- und richtigerweise auf die Feststellung, die Bezeichnung sei wegen eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 2 BORA unzulässig. Diese Norm werten sie als gesetzliche Vorschrift i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG, nämlich als Vorschrift, "die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln".

Zur Begründung der Verwechslungsgefahr weist das Gericht auf die sprachliche Nähe zwischen dem "Fachanwalt" und dem "Spezialisten" hin und führt aus, in "Duden online" würden als Synonyme für den Begriff "Spezialist" u.a. auch "Fachmann" oder "Mann vom Fach" genannt. Die Bedeutung des Wortes "Fachanwalt" werde in "Duden online" wie folgt definiert: "Rechtsanwalt, der auf ein bestimmtes Fachgebiet spezialisiert ist". Im Hinblick auf den Zweck von § 7 Abs. 2 BORA, dass der Verbraucher verlässlich zwischen den auf eigener Entscheidung des Anwalts beruhenden Angaben und der Fachanwaltsbezeichnung unterscheiden können müsse, sei auf Fachgebieten, für welche die Möglichkeit einer Fachanwaltschaft bestehe, für eine Bezeichnung als "Spezialist für …" kein Raum. Da dem Beklagten andere Möglichkeiten zur Verfügung stünden, seine Spezialisierung unter Wahrung eines hinreichenden sprachlichen Abstands zum Fachanwalt zum Ausdruck zu bringen, habe das Interesse des Beklagten, gerade mit dem irreführenden Begriff "Spezialist für Familienrecht" zu werben, zurückzustehen.

Mit dieser Entscheidung liegt das OLG Karlsruhe ganz auf der Linie eines Urteils des Landgerichts München I,[5] das mit fast gleicher Argumentation die Zulässigkeit der Bezeichnung "Spezialist für Erbrecht" verneint hatte. Bis d...

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