Einführung

Bei der Trennung von Eheleuten und der anschließenden Scheidung, der Regelung der elterlichen Sorge, dem Versorgungsausgleich, dem Zugewinn und dem Umgangsrecht sowie beim Unterhalt spielt sich zunächst alles auf zivilrechtlichem Sektor ab: Die dort geltenden Prozessgrundsätze, aber auch die darauf basierende Prozessführung werden den Erwartungen der Beteiligten indes zuweilen nicht gerecht: Diese müssen sich nicht selten mit kleinkrämerischen oder gar unwahren Ausführungen der Gegenseite auseinandersetzen und verzweifeln oft an der Wahrheit und Gerechtigkeit; u.U. sehen sie sich sogar verleumdet und betrogen – nur selten greift der Familienrichter ein; fast nie unterbreitet er von sich aus den Sachverhalt bei Verdacht strafbaren Verhaltens der Staatsanwaltschaft.[1]

Daher verwundert es nicht, dass mancher sich benachteiligt fühlende Beteiligte auf die Idee kommt, selbst Strafanzeige etwa wegen Verleumdung und versuchten Prozessbetrugs gegen seinen Ehegatten zu erstatten, um mit Hilfe der Strafverfolgungsbehörden und ihren weitreichenden Befugnissen zur Gewinnung von Beweismitteln sowie der im Strafverfahren geltenden, vom Zivilprozessrecht abweichenden Maximen, insbesondere des Legalitätsprinzips und des Amtsermittlungsgrundsatzes, Vorteile im Familienrechtsstreit zu erzielen; darüber hinaus hofft er u.U., seinen Ehegatten durch die drohende Bestrafung zu Zugeständnissen zu bewegen. Teilweise wird – dies sei nicht verschwiegen – das strafrechtliche Instrumentarium auch aus Rache, mit reiner Schädigungsabsicht, zur Retourkutsche und zur Durchsetzung zweifelhafter zivilrechtlicher Ansprüche eingesetzt.

Die nicht selten zu hörende Meinung, Strafanzeigen[2] des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltsverpflichteten führten zwingend oder zumindest regelmäßig zur Verwirkung des Unterhalts (in welchem Ausmaß auch immer), ist falsch; Appelle zur Vorsicht bei der Anzeigenerstattung[3] sind allerdings berechtigt. Denn es muss damit gerechnet werden, dass der Unterhaltsverpflichtete die Anzeige als angeblichen Verwirkungsgrund ins Feld führt und ggf. die Unterhaltszahlung einstellt. Zudem sind die Kriterien, ob eine Strafanzeige in concreto für den Unterhalt unschädlich ist oder zur Versagung bzw. Beschränkung des Unterhalts führt, für einen Familienrechtler nur mit einigem Aufwand, für einen auf Strafrecht spezialisierten Anwalt aber kaum sicher zu klären.

Der anzeigewillige, rechtsunkundige Unterhaltsberechtigte dürfte Warnungen seines Familienrechts-Anwalts vor der Anzeigeerstattung respektieren, auch wenn er nicht so recht einzusehen vermag, warum das Familienverfahren in Sachen Unterhalt und Zugewinn mit der Verfahrensherrschaft der Parteien und dem Beibringungsgrundsatz einem Ehegatten unverdient Schutz gewährt, wo normalerweise das Strafrecht zum Zuge kommt. Seine Bedenken werden vielleicht noch verstärkt, wenn er sich bei einem Strafrechtler Rat holt: Immerhin ist die Strafanzeige als solche verfassungsrechtlich garantiert, da Art. 17 GG jedem das Recht gewährt, sich mit Bitten und Beschwerden an die zuständigen Stellen und Behörden zu wenden, also auch mit Strafanzeigen, Anträgen auf Strafverfolgung und Strafanträgen an die Staatsanwaltschaft, Polizei, Steuerfahndung und Finanzämter. Strafrechtliche Grenzen gibt es – abgesehen von speziellen berufsrechtlichen Schweigepflichten/-rechten – nur in den Strafnormen der §§ 145d, 164, 186, 187 StGB (Vortäuschung einer Straftat, Falschverdächtigung, üble Nachrede und Verleumdung). Dass Strafanzeigen unter dem Blickwinkel der "Verwirkung" zur (zeitlichen oder umfangmäßigen) Beschränkung oder gar zur gänzlichen Versagung des Unterhalts führen können, dürfte nur den wenigen Strafrechtlern bekannt sein.

[1] Vgl. dazu instruktiv Klein, in: Weinrich/Klein, Fachanwaltskommentar Familienrecht, 4. Aufl., § 1579 Rn 101: "In derartigen Fällen wird und soll der Tatrichter generell gem. § 116 AO verfahren: Richter haben Tatsachen, die sie dienstlich erfahren und die den Verdacht einer Steuerstraftat begründen, der Finanzbehörde mitzuteilen. Der Unterhalt begehrende Ehegatte selbst sollte mit Anzeigen bei den Finanzbehörden zurückhaltend verfahren, weil sowohl der Umfang des steuerlich zu prüfenden Materials als auch die Konsequenzen seiner Anzeige oftmals weder für ihn selbst noch für seinen Rechtsvertreter hinreichend prüfbar (Umfang des steuerlich zu prüfenden Materials) als auch vorhersehbar (Konsequenzen seiner Anzeige) sind. Ein Hinweis auf § 116 AO im Unterhaltsverfahren stellt niemals unterhaltsrelevantes Fehlverhalten dar."
[2] Übersicht über die erhobenen Vorwürfe etwa bei Büte/Poppen/Menne, Unterhaltsrecht, 2. Aufl. 2009, § 1579 Rn 26 m.N.
[3] Etwa bei Caspary, FuR 2006, 366–368 und Klein, a.a.O.

I. Gesetzeslage

Die Verwirkung ist für den nachehelichen Unterhalt in § 1579 BGB[4] geregelt; sie gilt über § 1361 Abs. 3 BGB für den Trennungsunterhalt entsprechend.[5] Bis 1986 lautete diese Bestimmung:

Zitat

"(1) Ein Unterhaltsanspruch besteht nicht, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten...

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