Eigentlich kann Sachverständiger nur der sein, der sich intensiv und in ständiger Auseinandersetzung und Weiterbildung mit familienforensischen Themen befasst. Am ehesten können in Zusammenarbeit oder im fachlichen Austausch mit anderen Fachkollegen oder enger Kooperation mit solchen zusätzliche Kenntnisse erworben und es kann von den unterschiedlichen Erfahrungen gelernt werden, was es erleichtert, auch auf Dauer "sachverständig" zu bleiben. Ohne kollegialen Anschluss ist es schwierig, sich die notwendige Fachkompetenz anzueignen, geschweige denn, sich laufend die notwendigen Informationsquellen zuzulegen und diese durchzuarbeiten.

Es ist auch nicht jeder Sachverständige gleich ein sehr erfahrener Sachverständiger. Jeder, der seinen Beruf erlernt, muss Erfahrungen erwerben. Erste Unsicherheiten und angemessene Antworten auf schwierige auf ihn zukommende Problemfelder kann ein Berufsanfänger in der Regel nur mit Hilfe eines erfahrenen Sachverständigen überwinden.

Vereinzelt wird Kritik daran geübt, dass Sachverständige beauftragt werden, die einer Organisation angehören.[24] Worauf sich solche Vorbehalte beziehen, bleibt meist unklar, begründbar sind sie in der Regel nicht. Es ist auch zu erwarten, dass wenn mehrere Fachanwälte für ein Fachgebiet (z.B. Familienrecht) zusammenarbeiten und hierbei auch auf eine umfangreiche Bibliothek zurückgreifen können und sich gegenseitig über Fachtagungen und bei einzelnen schwierigen Fachfragen kollegial austauschen, ein höherer Kompetenzgrad erreicht wird, als dies für einen Einzelkämpfer gilt. Und ähnliches gilt auch für psychologische Sachverständige, insbesondere wenn diese in vielen Fachgebieten (z.B. Therapie, Beratung, Coaching) tätig sind. Es mag den einen oder anderen angesehenen Sachverständigen geben, der auf sich gestellt und in Einzelpraxis auf vielen Berufsfeldern tätig ist, die Regel ist es nicht.

Neben Fachkompetenz sollte der Sachverständige regelmäßig fachliche konsiliarische Besprechungen, Supervision und Fort- und Weiterbildung in Anspruch nehmen, die nicht bei jedem Sachverständigen, der vom Gericht herbeigezogen wird, erwartet werden kann. Eine offizielle Verpflichtung, wie sie z.B. für den Fachanwalt für Familienrecht gilt, besteht leider nicht.

Trotz aller vielleicht vorhandener Qualifikationen haben sich alle Beteiligten bewusst zu sein, dass es den Fachmann für "Kindeswohl" nicht gibt, auch nicht in der Person des Sachverständigen. Kindeswohl ist kein psychologischer Begriff und auch kein Gegenstand der psychologischen Forschung. Eine Person wird selten über die Qualifikation verfügen, bei den unterschiedlichsten Familienkonflikten alle relevanten Kindeswohlgesichtspunkte angemessen erfassen und bewerten oder bei jeder Familie Einvernehmen herstellen zu können. Sachverständige tragen Verantwortung und sollten gewissenhaft abschätzen, ob sie für den Einzelfall ausreichendes Fachwissen aufbringen. Studien[25] belegen, dass bei Sachverständigen durchaus Mängel an Fachwissen bestehen, nicht nur, wenn es sich um die Begutachtung bei sexuellem Missbrauch und Gewalt in der Familie handelt. Auch bei der Bestimmung der Auswirkung psychischer Auffälligkeiten liegt bei einigen Sachverständigen das notwendige klinische Wissen nicht vor, bei binationalen Familien oder homosexuellen Eltern sind einige Sachverständige nicht ausreichend über die Besonderheiten informiert.

Kaum ein Sachverständiger kann dem fortschreitenden Fachwissen in Bezug auf alle Kindeswohlaspekte nachkommen. Sich nur auf Erfahrung zu berufen, ist jedoch ebenfalls nicht ausreichend.[26] Gesichertes Wissen ist zudem generell, aber, insbesondere was den Familienrechtsbereich anbelangt, nicht erschöpfend vorhanden. Dies erfordert vom Sachverständigen das Bekenntnis, dass er möglicherweise zu bestimmten Fragen aus fachpsychologischer Sicht eine Antwort, wie sie der Jurist für den rechtlichen Einsatz erwartet, nicht oder nur eingeschränkt geben kann.

Neben der fachlichen Qualifikation in Bezug auf sein psychologisches Fachwissen hat der psychologische Sachverständige zudem die Besonderheiten des familiengerichtlichen Verfahrens zu kennen. Das gerichtliche Verfahren weist ihm eine besondere Rolle zu, darüber hinaus bedingt seine Bestellung eine verantwortungsvolle und von rechtlichen Gegebenheiten umgrenzte Arbeit mit den Beteiligten und verlangt ein ethisch korrektes Vorgehen. Viele Fragen, die sich aus der Stellung des Sachverständigen ergeben, sind bisher wenig fachlich diskutiert und noch weniger geklärt worden.

[24] So Rudolph, Cochemer Modell.
[25] Saini, Evidence Base of Custody and Access Evaluations, Brief Treatment and Crisis Intervention 2008, 111; Terzuoli, Relying on the Unreliable: How a Court Rule Could Alleviate the Problems Inherent in the Neutral Mental Health Evaluation Process in Child Custody Cases, FCR 2010, 571.
[26] Galatzer-Levy/Ostrov, in: Galatzer-Levy/Kraus (Hrsg.), The Scientific Basis of Child Custody Decisions, 1999, 46.

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