Die Auswahl des Sachverständigen bestimmt das Gericht.

Anders als im strafrechtlichen Bereich, wird die Auswahl des Sachverständigen im Familienrecht gelegentlich wenig stringent gehandhabt. Nicht selten werden fachlich wenig einschlägige Psychologen oder gar weitere psychosoziale Berufsgruppen von Richtern beauftragt, Gutachten für Gerichte zu erstellen, wenn fachkundige psychologische Sachverständige nicht zur Verfügung stehen. Für Richter ist es manchmal schon schwierig zu entscheiden, ob für die vorliegende Fragestellung ein Psychiater, ein Kinderpsychiater oder ein Psychologe benötigt wird; in Einzelfällen werden gar Sozialpädagogen[5] oder sonstige soziale Berufe mit "familienpsychologischen Gutachten" beauftragt.[6] Manchmal greifen Richter auch auf den Verfahrensbeistand zurück, der ihnen dann gutachtenähnliche Berichte schreiben soll, denen sie dann vergleichbares Gewicht beimessen.

Es läge in der Verantwortung dieser Berufsgruppen, entsprechende Gutachtensaufträge gar nicht erst anzunehmen. Wenn aber Klagen über das Sachverständigenunwesen erhoben werden, weil nicht sachkundige Personen vom Gericht ausgewählt werden, ist die Kritik an dem Vorgehen eher den Richtern anzulasten, aber ebenso den Anwälten und anderen Verfahrensbeteiligten, die sich nicht von vorneherein gegen diese Bestellung wehrten.

In der Praxis richtet sich die Einschätzung der Fachkompetenz des Sachverständigen häufig nach seiner zeitlichen Verfügbarkeit, ob er das Gutachten in angemessener Frist erstellen kann, und oftmals nach den persönlichen Vorlieben des Richters.[7] Nicht zuletzt erwirbt der jeweilige Sachverständige das richterliche Vertrauen und forensische Ansehen, wenn er sich nicht in juristische Fallstricke, wie z.B. Befangenheit, nicht judikable Empfehlungen oder Verzögerung des Verfahrens verfängt, zudem bei Rechtsanwälten angesehen ist und dementsprechend wenig Widerspruch von Seiten der Anwälte herausfordert.

Der Vorwurf allerdings, dass Sachverständige nach ihrer Bereitschaft ausgewählt werden, eine vom Familienrichter bereits vorgegebene Empfehlung nur noch zu bestätigen und dies die Auftragssituation des Sachverständigen sichern würde, lässt sich weder empirisch noch mit den Erfahrungen des Autors bestätigen.[8] Eine explizite Voreinstellung wird gegenüber dem Sachverständigen seitens der Richterschaft nie formuliert, eine solche Verhaltensweise würde auch dessen Reputation als unabhängiger neutraler Sachverständiger gefährden, da Familienrichter wechseln und sich kollegial austauschen. Zudem streuen die Richter meist ihre Gutachtensaufträge.[9]

[5] Bei medizinischen Fragen würde das Gericht wohl nie einen Heilpraktiker beauftragen.
[6] Siehe FAS, Gutachter an Familiengerichten, vom 2.11.2012; in dem Artikel werden Priester und Heilpraktiker als Sachverständige erwähnt.
[7] Schreiber, Zur Rolle des psychiatrisch-psychologischen Sachverständigen im Strafverfahren, 1987.
[8] Maywald, Kindeswohl – was ist das? 2005.
[9] Bein et al., Sachverständiger Umgang mit Sorgekriterien und Erwartungen von lösungsorientierter Begutachtung aus der Perspektive österreichischer Familienrichter 2008. Drei SV pro Jahr. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie 2008, S. 117.

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