Sachverständige werden nicht nur im familiengerichtlichen Bereich herangezogen, sondern in allen Rechtsgebieten beauftragt, bei denen es auf besondere Sachkunde ankommt.

Nach älteren Schätzungen werden bei ca. 5–8 Prozent der Konflikte um Kinder, die vor Familiengerichten behandelt werden, psychologische Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben.[2] Zumeist werden Sachverständige zur Regelung des Kontaktes des Kindes zum getrenntlebenden Elternteil, zur Regelung des Aufenthalts des Kindes oder zur Aufteilung der elterlichen Verantwortung durch die Gerichte beauftragt, oder zur Abklärung von Kindeswohlgefährdung, wo entweder über eine Herausnahme des Kindes aus der Familie entschieden werden muss oder über eine Rückführung zur Herkunftsfamilie. Daneben können auch weitere Fragestellungen, so zum Beispiel zum Umgang von weiteren Bezugspersonen, in Auftrag gegeben werden.[3]

Viele Fragen zum Kindeswohl, die das Familienrecht zu regeln hat, bedürfen des psychologischen Fachwissens.[4] Da Juristen, also Richtern wie Anwälten, das psychologische Wissen fehlt, wird bei Fragen des Kindeswohls, die ein Amtsverfahren bedingen – bei dem also das Gericht selbst Ermittlungen anstellen muss – auf externen Sachverstand zurückgegriffen. Wie bei allen sachverständigen Äußerungen kann es durchaus verschiedene fachliche Ausrichtungen und unterschiedliche fachliche Bewertungen geben; dies ist kein Spezifikum familienpsychologischer Probleme. Während man allerdings bei technischen Fragen eher geneigt ist, fremden Sachverstand anzuerkennen, fühlen sich die meisten Beteiligten bei Fragen von Beziehung oder Trennung und vor allem bei der Erziehung der Kinder selbst kompetent, da in diesen Bereichen Alltags- und meist Erfahrungswissen vorliegt. Daher liegt es auch näher, Kritik am familienpsychologischen Sachverständigen zu üben, falls dieser eine andere Einschätzung äußert, als man sie sich selbst gebildet hat.

Der familiäre Konflikt und die persönliche Betroffenheit bedingt meist, sich Verbündete zu suchen und Solidarität gegen den anderen Partner einzufordern, die Schuldzuweisung für die Konfliktursache ist meist einseitig. Auch in der Presse oder in Internetforen wird ausschließlich einseitig berichtet, ohne der anderen Seite Gehör geschenkt zu haben. Der Sachverständige befindet sich somit häufig in der Mitte eines heftigen emotionalen Konfliktes, der große fachliche Herausforderungen bedingt und gelegentlich sieht sich der Sachverständige Kritik gegenüber, die seine Neutralität durchaus belasten kann.

[2] Alle Untersuchungen gingen bisher von etwa 3 % der Sorgerechtsfälle aus, bei denen Sorgerechtsgutachten eingeholt werden, so Koechel, FamRZ 1986, 637; Grosse, ZfJ 1982, 504 legt die Zahl bei 5 % fest.
[3] Siehe Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 2011.
[4] Neben dem BVerfG fordert der BGH Gutachten bei Zweifel der Beweisführung: BGH DS 2008, 301; BGH DS 2012, 318.

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