Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch den Familienrechtsausschuss

Der DAV nimmt in der aktuellen Diskussion um das Sorgerecht nichtehelicher Väter wie folgt Stellung:

1. Sorgerecht für beide Eltern

Zu bevorzugen ist die Lösung, dass dem Vater mit der rechtlichen Feststellung der Vaterschaft – sei es durch Anerkennung oder durch Vaterschaftsfeststellung – die gemeinsame Sorge zusteht.

Einvernehmen besteht darüber, dass Ausgangspunkt aller Überlegungen das Kindeswohl sein muss. Das Kindeswohl verlangt, worauf das Bundesverfassungsgericht hinwies, dass das Kind ab seiner Geburt eine Person hat, die für das Kind rechtsverbindlich handeln kann. Deshalb ist die Mutter bis zur rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft allein sorgeberechtigt.

Das Kindeswohl gebietet es jedoch grundsätzlich, dass beide Elternteile die Verantwortung für das Kind und damit die gemeinsame elterliche Sorge tragen. Aus der Sicht des Kindes ist es unerheblich, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht, wie oder wo das Kind gezeugt und empfangen wurde. Bei nichtehelich geborenen Kindern ist eine Vielzahl von Konstellationen denkbar. Diese reichen vom "One-Night-Stand" bis zur langjährigen partnerschaftlichen Beziehung (vgl. insofern Salzgeber, FamRZ 2011, 945 ff.). Für die Sorgerechtsfrage ist dies indessen unerheblich.

Kann oder will der Vater jedoch seine Verantwortung nicht übernehmen, gelingt es also nicht, eine ausreichende Kommunikation zwischen den Eltern herbeizuführen, die dem Wohl des Kindes entspricht, verbleibt der Mutter die Möglichkeit, eine Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu beantragen.

Ausgangspunkt dieses Vorschlages ist die Annahme, dass aus der Kindesperspektive beide Elternteile in gleichem Umfange die Verantwortung zu tragen haben. Dies schließt nicht aus, dass Korrekturen vorgenommen werden können, wenn dies im konkreten Fall aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist.

Die Ausgestaltung der elterlichen Sorge kann nicht abhängig von der Situation der Eltern bei Zeugung des Kindes und den sich anschließend entwickelnden Lebensumständen sein.

Die Ehe ist kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Frage des Sorgerechts. Denn auch verheiratete Eltern können bereits im Zeitpunkt oder kurz nach der Geburt getrennt leben.

Eine Ungleichbehandlung von Kindern nicht miteinander verheirateter Eltern zu Kindern von miteinander verheirateten Eltern ist verfassungsrechtlich problematisch. Die Ungleichbehandlung ist aus dem Kindeswohl nicht begründbar. Stattdessen entspricht die gemeinsame Verantwortung beider Eltern dem Wohl des Kindes am besten. Werden die Eltern dieser Grundannahme im Einzelfall nicht gerecht, besteht die Möglichkeit, eine Änderung herbeizuführen.

2. Weitere Empfehlung zur Erleichterung des Rechtsverkehrs

Bei der Reform des Kindschaftsrechts wird angeregt, auch über die Reform folgender Regelungen nachzudenken:

Der Gesetzgeber sollte prüfen, Erleichterungen im täglichen Rechtsverkehr der Sorgeberechtigten gegenüber Dritten und Behörden durch Gutglaubensschutz einzuführen. Dies betrifft Schul- und Behördenangelegenheiten sowie Fragen der Gesundheitsfürsorge ("Hinsichtlich gutgläubiger Dritter wird angenommen, dass jeder Elternteil mit dem Einverständnis des anderen handelt, wenn …"). Der Schutz gutgläubiger Dritter würde die Zahl familiengerichtlich zu entscheidender Fälle wesentlich reduzieren. Es wäre nicht erforderlich, die gemeinsame Entscheidung der Eltern für das Kind vorab zwingend gerichtlich entscheiden zu lassen. Dies gilt im Übrigen für alle in der Diskussion befindlichen Lösungsvorschläge.

Berlin im März, Stellungnahme Nr. 30/2012, www.anwaltverein.de

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