RVG § 15 Abs. 2

 

Leitsatz

Im Bereich der Beratungshilfe in familienrechtlichen Angelegenheiten handelt es sich bei den Komplexen "Scheidung mit Scheidungsfolgesachen" und "Regelungen für die Zeit der Trennung" um zwei Angelegenheiten im Sinne des anwaltlichen Gebührenrechts.

LG München, Beschl. v. 20.7.2011 – 13 T 17437/10 (AG München)

Gründe:

I. Das AG München hat der Antragstellerin am 3.2.2010 einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe für die Angelegenheit Getrenntleben, Scheidung, Scheidungsfolgesachen, Unterhalt, elterliche Sorge, Ehewohnung, Hausrat etc. ausgestellt.

Rechtsanwalt G. hat für die erteilte Beratungshilfe gegenüber der Staatskasse eine Vergütung von insgesamt 569,76 EUR geltend gemacht, die sich wie folgt zusammensetzt: Getrenntleben 94,96 EUR, Hausrat 94,96 EUR, Umgang 94,96 EUR, Unterhalt 94,96 EUR, elterliche Sorge 94,96 EUR und Scheidung 94,96 EUR. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die an den Beratungshelfer zu zahlende Vergütung mit Beschl. v. 19.3.2010 auf 94,96 EUR festgesetzt. Die dagegen vom Beratungshelfer eingelegte Beschwerde hat das AG – Abteilung für Zivilsachen – als Erinnerung behandelt und durch richterlichen Beschl. v. 29.7.2010 zurückgewiesen. Dagegen legte der Beratungshelfer mit Schriftsatz vom 4.8.2010 Beschwerde ein. Das AG half der Beschwerde durch Beschl. v. 9.8.2010 nicht ab und legte die Akten dem OLG München zur Entscheidung vor.

Durch Beschl. v. 8.9.2010 hob das OLG München die Vorlageverfügung des AG München vom 9.8.2010 auf. Durch Verfügung v. 15.9.2010 legte das AG München die Akten dem LG München I zur Entscheidung über die Beschwerde vor.

Der Beratungshelfer meint, es liegen sechs Angelegenheiten vor. Er verweist auf die Kommentierung in der 19. Auflage des Kommentars Gerold/Schmidt/Müller/Raabe, § 16 RVG Rn 27 ff. sowie auf die Beschlüsse des OLG Düsseldorf v. 14.10.2008, FamRZ 2009, 713 ff. und OLG Frankfurt v. 12.8.2009, FamRZ 2010, 2030 ff. sowie des OLG Düsseldorf v. 14.10.2008, FamRZ 2009, 1244 ff.

Er legt dar, dass er die Antragstellerin in folgenden Angelegenheiten beim Familiengericht München vertreten habe: Gewaltschutzgesetz (564 F 9097/10), Umgang (564 F 9719/10), Unterhalt (564 F 9001/10), Aufenthaltsbestimmung (564 F 14191/10), Scheidung nebst Folgesachen Versorgungsausgleich, Sorgerecht und Unterhalt (564 F 13313/10). Wegen Herausgabe von Hochzeitsgeschenken bereite er eine Klage vor. Eine Strafanzeige wegen Unterschlagung habe zu einer Verurteilung durch das AG München – Strafgericht unter Az. 14 Ds 231 Js 206911/10 – geführt. Wegen fehlender Mitwirkung des Ehemannes habe er beim Verwaltungsgericht München eine Klage wegen Zuweisung einer neuen Sozialwohnung erhoben (M 12 KO 11.1195).

Bereits die Erstberatung vom 18.1.2010 habe zwei Stunden gedauert. Hierbei seien auch die Themen Kindes- und Ehegattenunterhalt angesprochen worden. Ein weiteres Gespräch am 2.2.2010 habe wieder mindestens eine Stunde gedauert. Es sei um die Themen vorzeitige Scheidung ohne Einhaltung des Trennungsjahres wegen unzumutbarer Härte, elterliche Sorge und Umgang sowie Hausrat gegangen. Bei der Besprechung vom 2.2.2010 habe die Antragstellerin noch geschildert, dass die Schwiegermutter ihr den Schmuck, den sie zur Hochzeit erhalten habe, weggenommen habe. Schließlich habe ein weiterer Beratungstermin Anfang März 2010 stattgefunden auf Grundlage der vorgelegten Auskünfte zum Einkommen des Ehemanns, bei dem nochmals die Themen Kindes- und Ehegattenunterhalt besprochen worden seien. Der Beratungsaufwand bis zur gerichtlichen Vertretung habe somit mindestens vier Stunden betragen. Eine Beratungsgebühr von 70,00 EUR zzgl. MWSt sei für diese Tätigkeit viel zu gering.

Demgegenüber vertritt der Bezirksrevisor I die Auffassung, es liege nur eine Angelegenheit vor, und bezieht sich auf den Beschluss des OLG München vom 19.12.2008 (11 W 2318/08 zu LG München 13 T 7800/08). Die Darlegungen des Beratungshelfers würden nicht dazu führen, dass in diesem Einzelfall aus verfassungsrechtlichen Gründen mehrere Angelegenheiten anzunehmen seien.

Durch Beschl. v. 28.1.11 wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 33 Abs. 8 S. 2 RVG auf die Kammer übertragen.

II. Die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 3 RVG zulässig. Die Beschwerdefrist von zwei Wochen gemäß § 33 Abs. 3 S. 3 RVG ist eingehalten. Der Beschwerdewert von mindestens 200,00 EUR nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG ist ebenfalls erreicht.

III. Die Beschwerde ist begründet. Nach Auffassung der Kammer liegen folgende zwei Angelegenheiten vor: Scheidung mit Scheidungsfolgesachen und die Angelegenheit Regelungen für die Zeit der Trennung. Daher ist eine Vergütung von 2 mal 94,96 EUR, also insgesamt 189, 92 EUR gerechtfertigt.

1. Das anwaltliche Gebührenrecht unterscheidet zwischen dem Begriff "Gegenstand" (Recht oder Rechtsverhältnis, auf das sich die Tätigkeit aufgrund des Auftrags bezieht) und "Angelegenheit", wobei der Rechtsanwalt gemäß § 15 Abs. 2 RVG die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern kann. Der gebührenrechtliche Begriff der...

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