I. Allgemeine Grundsätze
Das Gesetz kennt für die Einschränkung des Umgangsrechts zwei Eingriffsschwellen: Kurzfristige Maßnahmen kann das Familiengericht anordnen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist (§ 1684 Abs. 4 S. 1 BGB). Eine Einschränkung bzw. ein Ausschluss für längere Zeit setzen hingegen eine Gefährdung des Kindeswohls voraus (§ 1684 Abs. 4 S. 2 BGB).
Gemäß § 1684 Abs. 4 S. 1 BGB ist eine kurzfristige Umgangseinschränkung zum Wohl des Kindes erforderlich, wenn triftige, das Kindeswohl nachhaltige berührende Gründe (vgl. § 1696 Abs. 1 BGB) vorliegen.[2] Für kurzfristige Einschränkungen des Umgangsrechts bedarf es keiner nachgewiesenen Kindeswohlgefährdung; die Gründe müssen aber aufgrund der Bedeutung des Umgangsrechts ein gewisses Gewicht haben.[3] In Betracht kommen insbesondere Umstände aus der Sphäre des Kindes, z.B. Anpassungs- oder Eingewöhnungsschwierigkeiten.[4] Ein typischer Fall von § 1684 Abs. 4 S. 1 BGB ist die Einschränkung des Umgangs nach Dauer, Häufigkeit und Ort bei der Wiederanbahnung von Kontakten nach einer längeren Umgangsunterbrechung.[5]
In der Praxis erheblich umstrittener sind die Einschränkungen bzw. der Ausschluss des Umgangs für längere Zeit gemäß § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB. Eine solche Einschränkung ist nur gestattet, wenn andernfalls das Wohl des Kindes konkret gefährdet wäre (Maßstab § 1666 BGB).[6] Welcher Zeitraum als "längere Zeit" anzusehen ist, wird gesetzlich nicht definiert. Dies ist abhängig vom Einzelfall, dem Alter sowie dem Zeitempfinden des Kindes.[7] Als Richtmaß geht man ab einem Alter von 7 Jahren von einem Zeitraum von 6 Monaten und ab 12 Jahren von einem Zeitraum von einem Jahr aus.[8]
Umgangseinschränkungen müssen sich in besonderer Weise am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz messen lassen.[9] Vor einem vollständigen Ausschluss des Umgangsrechts sind mildere Maßnahmen wie z.B. begleiteter Umgang, Auflagen und zeitliche Einschränkungen zu prüfen.[10]
II. Ausreichende und nicht ausreichende Gründe für eine Umgangseinschränkung bzw. einen Umgangsausschluss
Zur Rechtfertigung einer Umgangseinschränkung bedarf es konkreter Gründe, die das Wohl des Kindes berühren (§ 1684 Abs. 4 S. 1 BGB) oder gefährden (§ 1684 Abs. 4 S. 2 BGB).
Bei der Frage, welche Gründe eine Einschränkung bzw. einen Ausschluss des Umgangsrechts rechtfertigen, bedarf es immer der Betrachtung des konkreten Einzelfalls.[11] Allerdings haben sich Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine Einschränkung bzw. ein Ausschluss des Umgangsrechts in Betracht oder auch tendenziell nicht in Betracht kommen:
Nicht ohne Weiteres ausreichende Gründe:
▪ | niedriges Alter des Kindes,[12] |
▪ | langwährende Entfremdung,[13] |
▪ | Fortdauer der Streitigkeiten der Eltern, die das Scheitern der Ehe noch nicht bewältigt haben,[14] |
▪ | Verfeindung der Eltern,[15] |
▪ | Ablehnung des Umgangs durch den betreuenden Elternteil,[16] |
▪ | Verursachung von Loyalitätskonflikten durch den betreuenden Elternteil,[17] |
▪ | Integrationsphase nach Inpflegenahme des Kindes,[18] |
▪ | Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft,[19] |
▪ | Vorstrafen des umgangsberechtigten Elternteils,[20] |
▪ | Ausübung der Prostitution durch den umgangsberechtigten Elternteil,[21] |
▪ | Inhaftierung des umgangsberechtigten Elternteils,[22] |
▪ | eine mit einer bloßen ausländischen Staatsangehörigkeit begründete Entführungsgefahr,[23] |
▪ | Verzug mit Unterhaltsleistungen.[24] |
Gründe für eine Einschränkung oder einen Ausschluss des Umgangs können unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls sein:
▪ | konkrete Entführungsgefahr,[25] |
▪ | erhebliche Misshandlungen des Kindes durch den umgangsberechtigten Elternteil,[26] |
▪ | erhebliche Suchterkrankungen, die zu einer konkreten Gefährdung des Kindes führen,[27] |
▪ | fortgesetzte negative Beeinflussung des Kindes gegen den Sorgeberechtigten,[28] |
▪ | nachgewiesener sexueller Missbrauch des Kindes durch den umgangsberechtigten Elternteil,[29] |
▪ | Gefahr des sexuellen Missbrauchs durch den Umgangsberechtigten oder Dritte während des Umgangs,[30] |
▪ | nachhaltige Ablehnung des Umgangs durch das Kind, welche nicht ohne Gefährdung des Kindeswohls überwunden werden kann (vgl. hierzu ausführlich im Folgenden unter 1.). |
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