Bei Kindern im Grundschulalter und Jugendlichen kommt ebenfalls eine regelmäßige und periodische Umgangsregelung in Betracht. Mit zunehmendem Alter dieser Kinder wächst auch die Dauer des Umgangskontaktes.[55] Bei diesem Personenkreis ist allerdings zu beachten, dass sie schon flexible und auch selbstständig vereinbarte Besuchskontakte benötigen, um ihren eigenen Interessen gerecht werden zu können[56] (Art des Verabredens, Zeitpunkt, Häufigkeit, Dauer usw.),[57] da die Kontakte zu Gleichaltrigen in der peer-group oft einen herausragenden Stellenwert bekommen.

Aus familienpsychologischer Sicht kann festgehalten werden, dass, wenn der umgangsberechtigte Elternteil auf eine vereinbarte oder durch das Familiengericht festgelegte Umgangsregelung besteht, dieser Elternteil sich nicht nur außerordentlich unbeliebt bei seinem eigenen Kind macht, sondern das Kind mit seiner rigiden und ablehnenden Haltung sogar veranlassen kann, sich künftigen Umgangskontakten zu verweigern.

Dieser Prozess kulminiert in der Pubertät.[58] Denn in diesem Zeitraum lösen sich die Kinder von den Eltern ab und wollen daher selbst Einfluss nehmen auf die Gestaltung des Umgangs. Indem der umgangsberechtigte Elternteil auf dieses Bedürfnis seines Kindes Rücksicht nimmt,[59] respektiert er dessen Willen.[60]

Das Kind ist dann (Verfahrens-)Subjekt und nicht (Verfahrens-)Objekt. Es erkennt, dass ihm bei der Gestaltung des Umgangsrechts eine eigene Entscheidungsmöglichkeit eingeräumt wird. Seine Grundrechte auf Achtung seiner Würde (Art. 1 Abs. 1 GG) und seine freie Entfaltung seiner Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) finden Berücksichtigung.[61]

In diesem Zusammenhang hat das KG[62] ausgeführt, dass gegen den Willen eines sechzehnjährigen Kindes keine starre und feste Umgangsregelung mehr angeordnet werden kann. Eine erzwungene Durchsetzung des Umgangsrechts sei nicht mit dem Persönlichkeitsrecht des Kindes vereinbar. Das kindliche Zeitempfinden erlaubt schon lange Trennungen von den Eltern, ohne dass die Bindung zwischen Kind und Elternteil beeinträchtigt wird.[63]

Aus entwicklungs- und familienpsychologischer Sicht ist anzumerken, dass Kinder dieser Altersgruppe bei einer weitgehend störungsfreien Entwicklung und Einbettung in das Familiensystem (z.B. gekennzeichnet durch einen autoritativen Erziehungsstil der Eltern oder sonstigen Betreuungspersonen = warmherzige und unterstützende Behandlung bei gleichzeitig hohen, aber realistischen an das Kind gerichteten Leistungsanforderungen, sodass das Kind weiß, woran es ist) über ein sicheres Selbstkonzept und Selbstwertgefühl verfügen sowie von ihrer Selbstwirksamkeit – auch in schwierigen Situationen – ausgehen. Die "Big Five" gelten bereits für das Lebensalter ab sechs Jahren (Neurotizismus,[64] Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit, Offenheit).

Die so betreuten und sozialisierten Kinder werden normalerweise bei geringem Konfliktniveau der Eltern selbstverständlich, gern und drängend – auch nach einer Elterntrennung – weiterhin mit beiden Eltern Kontakt haben wollen, zumal Längsschnittstudien deutlich belegen, dass zwischen 13 und 21 Jahren das Vertrauen in der Beziehung zu beiden Eltern steigt, allerdings bei gleichzeitig passagerer höherer affektiver Intensivität bei Konflikten mit den Eltern.[65]

[55] Dettenborn/Walter, Familienrechtspsychologie, 2. Aufl. 2015, S. 279.
[56] Horndasch, NZFam 2014, 884, 885.
[57] Dettenborn/Walter, Familienrechtspsychologie, 2. Aufl. 2015, S. 279.
[58] Dettenborn/Walter, Familienrechtspsychologie, 2. Aufl. 2015, S. 279.
[59] OLG Oldenburg FamRZ 2001, 1164.
[60] Horndasch, NZFam 2014, 884, 885; Fthenakis, FPR 1995, 94, 95.
[61] OLG Bamberg NJW-RR 1994, 390.
[63] Fthenakis, FPR 1995, 94, 95.
[64] Neurotizismus (abgeleitet von Neurose) ist ein Persönlichkeitsmerkmal und bezeichnet die emotionale Labilität einer Persönlichkeit. Der Begriff geht auf den Psychologen Hans Jürgen Eysenck zurück. Bei Menschen mit hohem Neurotizismuswert finden sich häufig folgende Eigenschaften und Verhaltensweisen: Neigung zu Nervosität, Reizbarkeit, Launenhaftigkeit, Neigung zu Unsicherheit und Verlegenheit, Klagen über Ärger und Ängste, Klagen über körperliche Schmerzen (Kopfschmerzen, Magenbeschwerden, Schwindelanfälle etc.), Neigung zu Traurigkeit und Depressionen, sehr sensibel auf Stress reagierend, eher negative Affektlage, dauerhafte Unzufriedenheit.
[65] Schneider/Lindenberger, Entwicklungspsychologie, 7. Aufl. 2012, S. 246.

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