Entsprechendes gilt für § 1684. Zwar steht dem Familiengericht hier – wie der Wortlaut von § 1684 Abs. 3 S. 1 klar zum Ausdruck bringt – auch die Befugnis zu, die Ausübung des Umgangsrechts näher zu regeln. Die damit einhergehende Einschränkung des Personensorgerechts des anderen Elternteils ist allerdings nur insoweit gerechtfertigt, als diese zur Sicherstellung des Zwecks des Umgangsrechts erforderlich ist.[84] Dieser liegt darin, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung durch Augenschein und gegenseitige Aussprache fortlaufend zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu dem Kind aufrechtzuerhalten, einer Entfremdung vorzubeugen sowie dem gegenseitigen Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen.[85] Sobald es also nicht mehr bloß darum geht, durch gerichtliche Entscheidung diesem Recht zur Durchsetzung zu verhelfen, sondern die Betreuung des Kindes umfassend, verbindlich und abschließend zu regeln, so liegt darin – auch wenn sie unter dem Deckmantel einer Umgangsentscheidung getroffen wird – stets eine konkrete Regelung des Kindesaufenthalts.[86] Das Umgangsrecht des einen Elternteils, das ebenso wie das Sorgerecht aus dem natürlichen Elternrecht resultiert und damit den Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG genießt,[87] findet seine Schranke im Elternrecht des anderen[88] und somit seine Grenze im eigenen Zweck, und dieser besteht jedenfalls nicht darin, eine gleichberechtigte Teilhabe beider Elternteile am Leben des Kindes sicherzustellen.[89]

Daraus folgt: Eine Begründung des – annähernd paritätischen – Wechselmodells über eine Umgangsentscheidung nach § 1684 Abs. 3 bei bestehender gemeinsamer Sorge oder im Anschluss an eine Zuweisung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts oder der Alleinsorge an einen Elternteil scheidet grundsätzlich[90] aus.

[84] BVerfGE 31, 194, 208; BGH FamRZ 1965, 130, 131 a.E.; FamRZ 1969, 148, 149; dass "ein doppelter Eingriff in das wie und wer eines Teils der elterlichen Sorge" (Hervorh. im Orig.; gemeint ist die Regelung von Umfang und Ausübung des Umgangs) gerade einer besonderen Rechtfertigung bedarf, verkennen Sünderhauf/Rixe, FamRB 2014, 418, 421.
[85] BVerfGE 31, 194, 206 = FamRZ 1971, 421, 424; FamRZ 1995, 86, 87; FamRZ 2007, 105; FamRZ 2013, 361, 362; FamRZ 2013, 433; BGH FamRZ 1965, 130, 131 f.: "kein Erziehungsrecht" (S. 132); FamRZ 1969, 148, 149; FamRZ 1984, 778, 779; KG FamRZ 2008, 634, 636; OLG Brandenburg FF 2012, 457, 458; OLG Hamm NJW 2012, 398; FamRZ 2012, 1883; OLG Nürnberg FamRZ 2011, 1803; OLG Saarbrücken FamRZ 2015, 62, 63; Staudinger/Coester, (2009) § 1671 Rn 23; Staudinger/Rauscher, (2014) § 1684 Rn 30; Jokisch, FuR 2013, 679, 681; s. auch Kinderrechtekommission, FamRZ 2014, 1157, 1163, 1166; a.A. AG Heidelberg FF 2015, 31, 35 f. Tz. 50 ff., 63 = FamRZ 2015, 151, 154 f.
[86] S. OLG Brandenburg FamRZ 2009, 1683, 1684, das klarstellt, dass es sich bei der familiengerichtlich genehmigten "Umgangsvereinbarung" über ein Wechselmodell "eindeutig um eine Regelung zum Aufenthalts(bestimmungs)recht" handele; zu einer Einordnung vorrangig als Frage des Umgangs gelangt dagegen das OLG Naumburg, Beschl. v. 23.9.2014 – 8 UF 146/13, juris Rn 14 f., das zugleich jedoch die Veränderung des Lebensmittelpunktes des Kindes als Grenze des Umgangsrechts definiert.
[87] Statt aller BVerfGE 31, 194, 206 = FamRZ 1971, 421, 424.
[88] OLG Brandenburg FF 2012, 457, 458.
[89] OLG Brandenburg FamRZ 2010, 1352, 1353; OLG Hamm FamRZ 2012, 1883; OLG Köln FamRZ 2012, 1885 (LS) = FamFR 2012, 335; OLG Nürnberg FamRZ 2011, 1803, 1804; OLG Saarbrücken FamRZ 2015, 62, 63; MDR 2014, 1326 (einstw. AO); i.E. auch OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.10.2014 – 6 UF 93/14, juris Rn 13; OLG Naumburg, Beschl. v. 23.9.2014 – 8 UF 146/13, juris Rn 15; Finke, NZFam 2014, 865, 868; Clausius, FF 2015, 37; Staudinger/Rauscher, (2014) § 1684 Rn 189; BeckOK BGB/Veit (Fn 20), § 1684 Rn 1 a.E.; Palandt/Götz (Fn 20), § 1684 Rn 1, s. auch § 1687 Rn 2; NK-BGB/Peschel-Gutzeit (Fn 21), § 1684 Rn 9 a.E.; Völker/Clausius (Fn 62), § 1 Rn 246; darauf, dass "elterliche Parität" über den Umgang ohnehin nicht zu erreichen ist, weist die Kinderrechtekommission, FamRZ 2014, 1157, 1162 hin.
[90] Seltene Ausnahmen erscheinen nicht ausgeschlossen, vgl. die Fallgestaltung des KG FamRZ 2012, 886, in der Gericht und Sachverständige in der Nichtbeachtung des auf das Wechselmodell gerichteten Kindeswillens ein erhebliches Problem und eine Gefahr für das Kindeswohl erkannten; offengelassen vom OLG Saarbrücken, Beschl. v. 13.10.2014 – 6 UF 93/14, juris Rn 13 f.; mit vergleichbarer Argumentation eine Regelung der Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts rechtfertigend OLG Schleswig SchlHA 2014, 456, 458.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge