Abhilfe könnte aber eine familiengerichtliche Entscheidung nach § 1687 Abs. 2 schaffen, durch die das Familiengericht die Befugnisse nach Abs. 1 S. 2 und 4 einschränken oder ausschließen kann. Fallen die dem einzelnen Elternteil durch § 1687 Abs. 1 S. 2 oder S. 4 gewährten Alleinentscheidungsbefugnisse aufgrund gerichtlicher Entscheidung nach § 1687 Abs. 2 weg, bleibt es beim Grundsatz des § 1627, also der Pflicht zur Herstellung von Einvernehmen zwischen den Eltern. So ließe sich das Maß an gemeinsam zu treffenden Entscheidungen erhöhen.

Das Eingreifen des Gerichts setzt jedoch eine Erforderlichkeit zum Wohl des Kindes (letzter Hs.), d.h. das Vorliegen triftiger, das Kindeswohl nachhaltig berührender Gründe voraus, die darauf hinweisen, dass ohne die Maßnahme eine ungünstige Entwicklung des Kindes eintreten könnte.[54] Zum Teil wird dem Gericht jedoch die Kompetenz zugesprochen, die Alleinentscheidungsbefugnisse nach § 1687 Abs. 1 S. 2 und 4 auf Anregung der Eltern von vornherein und – bis zur Grenze des § 1696 Abs. 1 – dauerhaft einzuschränken.[55] Das Gericht habe den gemeinsamen elterlichen Vorschlag zumindest zu "gewichten"[56] oder sei gar analog § 1671 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 an diesen gebunden.[57] Einigen sich die Eltern darauf, gemeinsame Entscheidungen auch über das in § 1687 Abs. 1 festgesetzte Maß hinaus gemeinsam zu treffen, so stellt diese Einigung eine vom Staat zu respektierende Ausübung ihres Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG dar, mittels derer sie auch – sofern zu dieser Form der Nachtrennungssorge tatsächlich in der Lage – ihrer aus Art. 6 Abs. 2 GG resultierenden Elternverantwortung gerecht werden.[58] § 1687 Abs. 2 ist daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der gemeinsame elterliche Vorschlag eine entsprechende gerichtliche Entscheidung auch dann rechtfertigt, wenn die absolute Sorgegemeinsamkeit nicht unbedingt für das Wohl des Kindes erforderlich wäre.[59]

[54] Schilling, NJW 2007, 3233, 3237; Palandt/Götz (Fn 20), § 1687 Rn 11; BeckOK BGB/Veit (Fn 20), § 1687 Rn 13; NK-BGB/Peschel-Gutzeit (Fn 21), § 1687 Rn 17; MüKo-BGB/Hennemann (Fn 10), § 1687 Rn 20; Johannsen/Henrich/Jaeger (Fn 27), § 1687 Rn 12; zu einer besonders restriktiven Handhabung "nur im äußersten Fall" rät gar Staudinger/Salgo, (2014) § 1687 Rn 60.
[55] Hammer (Fn 19), S. 55, 249; Runge, FPR 1999, 142, 143; Scholz/Stein/Fröhlich, Praxishandbuch Familienrecht, 17. EL 2009, Rn 145; i.E. auch Schnitzler/Lang (Fn 20), § 13 Rn 170.
[56] So für das gesetzliche Regelungs-, nicht das Wechselmodell Weisbrodt, Kind-Prax 2001, 8, 12.
[57] So zu § 1671 Abs. 2 Nr. 1 a.F. Hammer (Fn 19), S. 249.
[58] BVerfGE 61, 358, 374 = FamRZ 1982, 1179, 1182 = NJW 1983, 101.
[59] Coester, DEuFamR 1999, 3, 10 Fn 99; s. auch Staudinger/Coester, (2009) § 1671 Rn 12.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge