Einleitung

Im Familienrecht haben wir eine Fülle von Billigkeitsvorschriften, positive und negative Härteklauseln. Im Rahmen dieses Vortrages beschäftigen wir uns mit drei Vorschriften in wichtigen familienrechtlichen Kernbereichen:

Nachehelicher Unterhalt (§ 1579 Nr. 1–8 BGB)
Zugewinnausgleich (§ 1381 BGB)
Versorgungsausgleich (§ 27 VersAusglG)

2005 fragte der damalige Präsident des Amtsgerichts Stuttgart, Helmut Borth, in einer Fachzeitschrift: "Verhindern Billigkeitsregeln im Familienrecht Ungerechtigkeiten?"

Unabhängig von dem allgemeinen § 242 BGB gibt es eine Fülle von Spezialregelungen im Familienrecht, die zum Teil schon so in Fleisch und Blut übergegangen sind, dass sie gar nicht mehr als Härte- oder Billigkeitsregelungen wahrgenommen werden, wie z.B. die unzumutbare Härte beim § 1565 Abs. 2 BGB, oder die besonders schwere Härte bei der Ehescheidung § 1568 BGB.[1]

Das Bundesverfassungsgericht hat die Notwendigkeit der Billigkeitsregelungen im Familienrecht schon relativ früh bestätigt. Die Billigkeitsregelungen entsprechen dem Anliegen des Gesetzgebers den Anwendungsbereich der Bestimmungen, die teilweise zu starre gesetzliche Regelungen beinhalten, aufzulösen, um dem verfassungsrechtlichen Gebot der Einzelfallgerechtigkeit Rechnung zu tragen.[2]

In der Entscheidung heißt es wörtlich:

Zitat

"§ 1587c BGB und § 1587h BGB … ermöglichen den Gerichten eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung in solchen Fällen, in denen die Durchführung des Versorgungsausgleichs zu einer "Prämierung" des pflichtwidrigen Verhaltens des ausgleichsberechtigen Ehegatten führen oder wegen langen Getrenntlebens unbillig sein könnte."[3]

Insofern haben BVerfG und BGH den Härtefallklauseln ausdrücklich die Funktion eines Gerechtigkeitskorrektivs zugewiesen. Sie sollen als Ausnahmeregelung eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Entscheidung in solchen Fällen ermöglichen, in denen die schematische Durchführung des Ausgleichs dem Zweck des Teilhabegedankens zuwiderliefe.[4]

[1] Borth, FPR 2005, 313 ff.
[2] Vgl. z.B. BVerfG FamRZ 1980, 326, 334 (zum VA); BVerfG FamRZ 1981, 745, 751.
[3] A.a.O. (334).
[4] Vgl. zu § 1381 BGB BVerfG FamRZ 1980, 326 und BGH FamRZ 2002, 606.

I. Nachehelicher Unterhalt

Mit der Neuregelung des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes ist der § 1579 BGB klarer gegliedert worden. Die Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 8 enthalten objektive Gesichtspunkte, die Nr. 3 bis Nr. 7 enthalten vorwerfbares Fehlverhalten, insbesondere

§ 1579 Nr. 3 Vergehen oder Verbrechen
§ 1579 Nr. 4 mutwillige Bedürftigkeit
§ 1579 Nr. 5 mutwillige Verletzung von Vermögensinteressen
§ 1579 Nr. 6 Verletzung von Unterhaltspflichten
§ 1579 Nr. 7 einseitiges schwerwiegendes Fehlerverhalten des Unterhaltsberechtigten.

1. § 1579 Nr. 1 BGB (kurze Ehedauer)

Im Zuge der Neuregelung aufgrund des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes 2007 ist die Nr. 1 dahingehend neugefasst worden, dass ein Unterhaltsanspruch zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen ist, weil die Ehe von kurzer Dauer war; dabei ist die Zeit zu berücksichtigen, in welcher der Berechtigte wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 BGB Unterhalt verlangen kann.

Die Neuregelung enthält eine klarere Fassung und schließt an die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung aus dem Jahre 1980 an.

Die Betreuungszeit ist entgegen dem früheren Wortlaut von Nr. 1 nicht der Ehedauer hinzuzurechnen, sondern ist erst im Rahmen der Abwägung relevant, da andernfalls in Kinderbetreuungsfällen eine kurze Ehedauer nicht denkbar ist.[5]

Kurze Ehedauer ist die Zeit zwischen Eheschließung und Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages (also Zustellung der Antragsschrift). Im Regelfall wird man eine kurze Ehedauer bei bis zu zwei Jahren annehmen können. Ab drei Jahren wird es schwierig, die kurze Ehedauer zu begründen. Je länger die Ehedauer sich darstellt, desto schwieriger dürfte es sein, ein Gericht von dem § 1579 Nr. 1 BGB zu überzeugen. Wichtig ist, dass es auf das tatsächliche Zusammenleben nicht ankommt und dass die Einreichung eines Verfahrenskostenhilfeantrages nicht ausreicht. Sinnvoll ist es, möglichst frühzeitig ggf. unmittelbar vor Ablauf des Trennungsjahres den Antrag auf Ehescheidung einzureichen und durch Zahlung der Gerichtskosten bei niedrigem Streitwert die Zustellung herbeizuführen. Im Regelfall wird man bei einer Ehedauer von 4–5 Jahren keine Möglichkeit mehr haben, eine kurze Ehedauer nachzuweisen, da im allgemeinen die Verflechtung zunimmt je länger die Dauer der Ehe gegeben ist.

Das OLG Köln hat in einer Entscheidung vom 29.6.2007 festgestellt, dass eine kurze Ehe i.S.d. § 1579 Nr. 1 BGB nach 2 ½ Jahren noch möglich ist. In diesem Fall hatte der nicht kinderbetreuende Elternteil Unterhalt geltend gemacht. § 1579 Nr. 1 BGB schützt grundsätzlich jedoch nur den betreuenden Elternteil, nur dieser soll i.S.d. § 1579 Nr. 1 BGB begünstigt werden.[6]

Wenn die kurze Ehedauer abgelehnt wird, bleibt natürlich die Möglichkeit, auf § 1578b BGB auszuweichen und die Befristung des Unterhaltsanspruchs zu begründen. § 1578b BGB sieht einf...

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