Die Ausführungen im Gutachten dürfen keine sachfremden Erwägungen oder Anhaltspunkte für eine Befangenheit des Sachverständigen erkennen lassen.[61]

Ein Teil der im Rahmen der Qualitätsdiskussion über familienpsychologische Gutachten angeführten Fälle zeichnet sich dadurch aus, dass die diskutierten Gutachten deshalb keine taugliche Entscheidungsgrundlage darstellten, da erhebliche Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit des Sachverständigen bestanden.[62] Auch wenn diese Gründe nicht zu einer erfolgreichen Ablehnung des Sachverständigen wegen Befangenheit führen, können sie die Verwertbarkeit des Gutachtens infrage stellen.[63]

Eine teilweise oder vollständige Unverwertbarkeit des Gutachtens kommt insbesondere in Betracht, wenn der Sachverständige den Gutachtenauftrag eigenständig überschreitet oder nicht vorgegebene Anknüpfungstatsachen zugrunde legt bzw. Beweise eigenständig würdigt.[64]

Hinsichtlich der Anknüpfungstatsachen gilt dies nicht, wenn dem Gericht die erforderliche Sachkunde für die Entscheidung fehlt, welche Tatsachen für die Begutachtung erheblich und deshalb zu erheben sind. Dann kann es dem Sachverständigen überlassen werden, die notwendige Auswahl zu treffen und die Anknüpfungstatsachen auch selbst zu erheben.[65] Weiterhin entspricht diese Vorgehensweise der allgemeinen Übung bei familienpsychologischen Gutachten und hat ihre Anerkennung in den Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Kindschaftsrecht (vgl. dort unter Punkt D. I Nr. 5) gefunden.[66] Zur Vermeidung einer Befangenheit ist es in diesen Fällen ausreichend, wenn der Sachverständige nachvollziehbar deutlich macht, aus welchem Grund er welche Anknüpfungstatsachen zugrunde legt.[67] Allerdings ist der Sachverständige nicht befugt, den Gutachtenauftrag des Gerichts auszudehnen und bei einem Gutachten betreffend eine Sorgerechtsfrage eine nach seiner Ansicht angemessene Umgangsregelung vorzuschlagen.[68] Auch eine einseitige Gestaltung der Begutachtung aufgrund der Vorgaben eines der Verfahrensbeteiligten kann zur Besorgnis der Befangenheit und damit zur Unverwertbarkeit des Gutachtens führen.[69]

Soweit das OLG Hamm[70] davon ausgeht, dass die Nichteinhaltung der Mindestanforderungen für Sachverständigengutachten in Kindschaftsverfahren zusammen mit Schlussfolgerungen zum Nachteil eines Beteiligten die Besorgnis der Befangenheit begründen kann, erscheint dies zu weitgehend. Vielmehr handelt es sich dabei um inhaltliche Mängel des Sachverständigengutachtens, die dazu führen, dass es nicht Grundlage einer richterlichen Entscheidung sein kann. Bloße inhaltliche Mängel des Gutachtens können in der Regel nicht die Befangenheit des Sachverständigen begründen.[71]

Hingegen kann das Ergreifen von Maßnahmen durch den Sachverständigen, wenn es sich um solche handelt, die dem Familiengericht vorbehalten sind (Einschränkung von Umgangskontakten), die Besorgnis der Befangenheit begründen.[72] Abhängig von den Umständen des Einzelfalls können auch die fehlende Neutralität des Sachverständigen (Vorbehalte gegen Beteiligte aufgrund ihrer Herkunft)[73] oder die Unsachlichkeit des Sachverständigen die Befangenheit begründen.[74]

[61] Vgl. BVerfG FamRZ 2015, 112; vgl. OLG Frankfurt NZFam 2016, 614.
[62] Vgl. BVerfG FamRZ 2015, 112.
[63] BGH FamRZ 2016, 2082 Rn 41.
[64] BGH FamRZ 2016, 2082 Rn 41; vgl. OLG Karlsruhe ZKJ 2015, 199 (deutliche Überschreitung des Gutachtenauftrages und Eingriff in die Entscheidungskompetenz des Gerichts).
[65] Vogel, FamRB 2017, 186, 189; Metzger, FPR 2008, 273; vgl. Prütting/Hammer, FamFG, 3. Aufl. 2014, § 163 Rn 8; vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 22.6.2017 – 10 UF 103/17, juris.
[66] OLG Frankfurt FamRZ 2017, 914, 915; OLG Celle FamRZ 2015, 438; Prütting/Hammer, FamFG, 3. Aufl. 2014, § 163 Rn 22; vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 22.6.2017 – 10 UF 103/17, juris.
[67] BVerfG FamRZ 2014, 1270 Rn 28; OLG Frankfurt FamRZ 2017, 914; OLG Düsseldorf FamRZ 2017, 915.
[68] Vogel, FamRB 2017,186, 189.
[69] BGH FamRZ 2016, 2082 Rn 39 ff.; vgl. Gottschalk, ZKJ 2017, 241.
[70] OLG Hamm FamRZ 2017, 540.
[71] Vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 406 Rn 9; KG FamRZ 2016, 483.
[72] OLG Frankfurt FamRZ 2016, 2029.
[73] BVerfG FamRZ 2015, 112.
[74] Vgl. die Übersicht zu einzelnen Ablehnungsgründen in: Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 6. Aufl. 2015, S. 75 ff.

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