In erster Linie ist es dem Sachverständigen überlassen, auf welche Art und Weise er sein Gutachten erstellt und welche Methoden bzw. standardisierte Verfahren er einsetzt.[82] Allerdings gehört es zur Nachvollziehbarkeit des Gutachtens, dass dies hinreichend dokumentiert und erklärt wird.[83]

Dem Sachverständigen stehen die Auswahl der Methoden und die Bestimmung des Umfangs der Methoden allein verantwortlich zu.[84] Er ist jedoch insoweit gebunden, als dass sich seine Vorgehensweise auf den Stand der Wissenschaft zu beziehen hat.[85] Hierzu gehört es, Arbeitshypothesen zu den einzelnen Fragestellungen zu formulieren und zu prüfen.[86] Die Methoden müssen zur Überprüfung der gerichtlichen und der daraus abgeleiteten psychologischen Fragen geeignet sein und über eine Zufallswahrscheinlichkeit hinaus brauchbare Informationen liefern. Bei der Begutachtung soll der Sachverständige die beste verfügbare Methode auswählen. Diese muss auch für die zu explorierende Per son geeignet sein.[87] Im Endeffekt obliegt es aber dem Ermessen des Sachverständigen, welche Methode er einsetzt, da es in der Psychologie bisher noch keine generalisierenden Theorien, Methoden und standardisierte Verfahren gibt, die jedem Einzelfall gerecht werden würden.[88]

Folgende psychologisch relevante und erprobte diagnostische Methoden haben sich bei der familienpsychologischen Begutachtung bewährt: Aktenstudium, Gespräche, Interviews, Exploration, Verhaltensbeobachtungen und testpsychologische Untersuchungen.[89] Wissenschaftlich anerkannte psychologische Tests müssen zuverlässig, valide und objektiv sein.[90] Berücksichtigt werden muss dabei, dass nur begrenzt standardisierte Verfahren für den Zweck der familienpsychologischen Begutachtung vorliegen.[91] Standardisierte Testverfahren, z.B. Family-Relation-Test (FRT), Familien-Identifikations-Test (FIT), Sorge- und umgangsrechtliche Testbatterie (SURT), Strukturiertes Interview zur Erfassung der Kind-Eltern-Interaktion (SKEI), Eltern-Belastungs-Screening zu Kindeswohlgefährdung (EBSK) sind bevorzugt anzuwenden, soweit sie für die Beantwortung der psychologischen Fragestellungen effektiv sind.[92] Testverfahren für sich alleine können die individuelle Beurteilung nicht ersetzen und allein keine sachverständige Empfehlung begründen.[93] Die zum Teil vorgebrachte Forderung, nur Daten zugrunde zu legen, die Ergebnis eines objektiven Messverfahrens sind, ist wissenschaftlich wohl nicht zutreffend.[94] Besondere Bedeutung hat die Verhaltens- und Interaktionsbeobachtung.[95] Allerdings gibt es nur wenige standardisierte Methoden für strukturierte Interaktionsbeobachtungen; soweit diese allerdings vorhanden sind, sind sie bevorzugt anzuwenden.[96]

In der Praxis werden häufig auch nicht strukturierte Interaktionsbeobachtungen durchgeführt. Eine empirische Absicherung ist dort nicht gegeben.[97] Trotzdem kann diesen der Erkenntniswert nicht abgesprochen werden.[98]

Wissenschaftlicher Standard ist ein multimodales Vorgehen, d.h., das Gutachten soll nicht auf einer einzigen, sondern auf mehreren voneinander unabhängigen Datenquellen beruhen (z.B. Exploration, Verhaltensbeobachtung, unterschiedliche Tests, Akteninhalte).[99]

In der familiengerichtlichen Praxis ist es ratsam, sich bei Zweifeln vom Sachverständigen die einzelnen verwendeten Untersuchungsmethoden und die Gründe für deren Anwendung erläutern zu lassen. Projektive Verfahren sind wissenschaftlich nicht zuverlässig.[100] Sie können aber zu weiteren Hypothesen führen, die dann wissenschaftlich überprüft werden müssen.[101]

[82] OLG Saarbrücken NJW-Spezial 2015, 38 ff.; Herrler, NZFam 2015, 597, 598.
[83] Herrler, NZFam 2015, 597, 598.
[84] Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 6. Aufl. 2015, S. 514 ff.
[85] Herrler, NZFam 2015, 597, 598; Metzger, FPR 2008, 273, 275; Kannegießer/Orth/Rotax/Salzgeber, NZFam 2015, 944 ff.
[86] Dettenborn/Fichtner, NZFam 2015, 1035, 1038.
[87] Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 6. Aufl. 2015, S. 514 ff.
[88] Salzgeber, familienpsychologische Gutachten, 6. Aufl. 2015, S. 514 ff.
[89] Herrler, NZFam 2015, 597, 598.
[90] Korn-Bergmann, FamRB 2013, 338, 342.
[91] Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 6. Aufl. 2015, S. 516; Korn-Bergmann, FamRB 2013, 338, 342.
[92] Dettenborn/Fichtner, NZFam 2015, 1035, 1038.
[93] Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 6. Aufl. 2015, S. 514 ff.
[94] Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 6. Aufl. 2015, S. 516; Klement, ZKJ 2015,453 ff.
[95] Dettenborn/Fichtner, NZFam 2015, 1035, 1040.
[96] Dettenborn/Fichtner, NZFam 2015, 1035, 1040.
[97] Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 6. Aufl. 2015, S. 522.
[98] Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 6. Aufl. 2015, S. 522.
[99] Dettenborn/Fichtner, NZFam 2015, 1035, 1039; Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 6. Aufl. 2015, S. 516.
[100] Salzgeber, Familienpsychologische Gutachten, 6. Aufl. 2015, S. 518.
[101] Herrler, NZFam 2015, 597, 599.

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