Bergmann/Ferid/Henrich (Hrsg.) 6. Auflage 1983 ff. (217. Lieferung, Juli 2016), ca. 17.000 Seiten, Loseblatt (22 Ordner), 657 EUR, Verlag für Standesamtswesen, ISSN 1618-3363

In der familiengerichtlichen Praxis nehmen seit Jahren die Verfahren zu, bei denen ein Beteiligter oder beide Beteiligte nicht die deutsche, sondern eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen oder aus einem fremden Rechts- bzw. Kulturkreis stammen. Die "gefühlte Familiengerichtspraxis" lässt sich anhand aktueller demographischer Statistiken gut belegen: Von den etwa 82 Mio. Menschen, die Ende 2015 in Deutschland lebten, verfügten etwa 10 % bzw. 8,7 Mio. über eine fremde Staatsangehörigkeit. Mit rund 17,1 Mio. hatten im vergangenen Jahr mehr Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund als je zuvor. Aufgrund der starken Zuwanderung aus dem Ausland beträgt der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund an der Gesamtbevölkerung in Deutschland inzwischen 21 % (vgl. Pressemitteilungen des Statistischen Bundesamtes vom 26.8.2016 und vom 16.9.2016, https://www.destatis.de). Vergegenwärtigt man sich die hohe inländische Scheidungsziffer – im Schnitt wird etwa jede dritte Ehe geschieden – sowie weiter, dass im Zuge eines Scheidungsverfahrens häufig nicht nur die Scheidung auszusprechen ist, sondern dass darüber hinaus vielfach auch Unterhalt, das Güterrecht oder die Verhältnisse der Kinder zu regeln sind, dann ist klar, dass Fragen des ausländischen und internationalen Privat- und Privatverfahrensrechts sowie des ausländischen Rechts Hochkonjunktur haben. Wenn weiter berücksichtigt wird, dass die Ehe heute längst nicht mehr als die einzige Lebensform angesehen wird, in der Kinder groß werden, sondern dass Trennungen von nichtehelichen Lebensgemeinschaften mittlerweile mehr und mehr auch Kinder betreffen, liegt auf der Hand, dass Sachverhalte mit Auslandsberührung die familiengerichtliche Praxis immer stärker beschäftigen (vgl. näher Menne, FamRZ 2016, 1223): Die Globalisierung macht vor dem Familienrecht nicht Halt, sondern die zunehmende gesellschaftliche Mobilität führt zusammen mit Flucht, Vertreibung und Wanderungsbewegungen dazu, dass grenzüberschreitende Sachverhalte heute zum Alltag jedes Familienrechtlers gehören.

Zwar ist es richtig, dass die Tendenz im internationalen Privatrecht dahin geht, die bisherige, traditionelle Anknüpfung familienrechtlicher Sachverhalte an die Staatsangehörigkeit der Beteiligten aufzugeben zugunsten einer das Recht am Gerichtsort bevorzugenden Anknüpfung an das gemeinsame Aufenthaltsrecht. Beispiele hierfür sind etwa die Rom III-VO für die Ehescheidung oder das Haager Unterhaltsprotokoll für das Unterhaltsrecht. Aber das enthebt den Berater keineswegs davon, Fragen der internationalen Zuständigkeit oder des anwendbaren Rechts sorgfältig zu prüfen – das ist schon deshalb angezeigt, um den anwaltlichen Vortrag entsprechend den Voraussetzungen des jeweiligen Sachrechts schlüssig zu machen: Denn es ist beispielsweise kaum zielführend, güterrechtliche Ansprüche am Recht des gewöhnlichen Aufenthalts eines Ehegatten auszurichten, wenn nach der kollisionsrechtlichen Prüfung das Recht berufen ist, mit dem die Ehegatten gemeinsam am engsten verbunden sind (Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB). Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine im Inland erstrittene Entscheidung wertlos sein kann, wenn sie von den Behörden des Heimatlandes eines Beteiligten nicht anerkannt wird. Zu bedenken ist weiter, dass derjenige Ehegatte, der den Ehescheidungsantrag zuerst in einem von ihm gewünschten Staat anhängig macht, Vorteile haben kann, weil er auf diese Weise die Möglichkeit hat, Einfluss auf das anwendbare Verfahrens- oder Sachrecht zu nehmen – Stichwort "forum shopping". Und schließlich ist an die Anwaltshaftung zu denken – denn der anwaltliche Berater, der eine Ehescheidung für einen Mandanten erwirkt, obwohl dieser erkennbar keine wirksame Ehe geschlossen hat, haftet dem Mandanten für die diesem daraus aufgrund des zu seinen Lasten durchgeführten Versorgungsausgleichs oder seiner Verpflichtung zum nachehelichen Unterhalt etc. entstandenen Schäden auch dann, wenn das Familiengericht das Vorliegen einer Nichtehe eigentlich hätte erkennen und den Scheidungsantrag hätte abweisen müssen (vgl. BGH, Urt. v. 13.3.2003 – IX ZR 181/99, FamRZ 2003, 838 = FF 2003, 177 [LS]).

Der zuverlässigen Klärung dieser und vieler anderer Fragen aus diesem Bereich dient das "Internationale Ehe- und Kindschaftsrecht": Dieses einzigartige, ab etwa 1925 von dem seinerzeitigen Kammergerichtsrat Alexander Bergmann begründete, von dem namhaften Rechtsvergleicher Professor Murad Ferid, München, fortgeführte und heute von Dieter Henrich, emeritierter Professor u.a. für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität Regensburg, herausgegebene Werk ist eines der wichtigsten Hilfsmittel bei der Lösung aller Fragen des internationalen und ausländischen Familienrechts. Ziel des Werkes ist die Dokumentation des Familienrechts alle...

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