GG Art. 14 Abs. 1 S. 2; BGB § 985 § 1361b § 1568a; FamFG §§ 200 ff.

Leitsatz

1. Während der Trennungszeit ist der auf § 985 BGB gestützte Antrag eines Ehegatten gegen den anderen auf Herausgabe der Ehewohnung unzulässig (im Anschluss an BGH v. 13.10.1976 – IV ZR 89/75, BGHZ 67, 217 = NJW 1977, 43 und BGH v. 7.4.1978 – V ZR 154/75, BGHZ 71, 216 = FamRZ 1978, 496).

2. Die Ehewohnung behält diese Eigenschaft während der gesamten Trennungszeit.

3. Der Eigentümer-Ehegatte, der dem anderen Ehegatten die Ehewohnung i.S.d. § 1361b Abs. 4 BGB überlassen hat, kann bei wesentlicher Veränderung der zugrundeliegenden Umstände eine Änderung der Überlassungsregelung gemäß § 1361b Abs. 1 BGB im Ehewohnungsverfahren verfolgen.

4. Das unzulässige Herausgabeverlangen nach § 985 BGB kann nicht in einen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung im Ehewohnungsverfahren umgedeutet werden.

BGH, Beschl. v. 28.9.2016 – XII ZB 487/15 (OLG München, AG Miesbach)

1 Gründe:

[1] I. Die Beteiligten sind seit 1991 miteinander verheiratet. Im Jahr 1999 erwarb der Antragsteller (Ehemann) ein Hausanwesen zum Alleineigentum, welches er fortan gemeinsam mit der Antragsgegnerin (Ehefrau) und den drei Kindern als Familienheim nutzte. Nach der Trennung Anfang 2006 verließ der Ehemann das Familienheim und zog zunächst in ein der Ehefrau gehörendes und später in ein von ihm selbst im Jahr 2004 erworbenes und ursprünglich als neues Familienheim vorgesehenes Haus. Bemühungen des Ehemanns, den Kaufpreis dieses Hauses durch den Erlös aus einem Verkauf des vormaligen, noch von der Ehefrau bewohnten Familienheims abzulösen, blieben ebenso erfolglos wie sein 2011 gestellter Antrag, ihm das vormalige Familienheim im Wege der einstweiligen Anordnung zur alleinigen Nutzung zuzuweisen. Schließlich veräußerte er das im Jahr 2004 erworbene Haus und wohnt nunmehr gemeinsam mit einer neuen Lebensgefährtin und drei minderjährigen Kindern in einem anderen Haus zur Miete, wobei die Mietdauer des befristeten Mietvertrags bereits abgelaufen ist.

[2] Nachdem die jüngste gemeinsame Tochter der Beteiligten inzwischen volljährig ist und ihre Schulausbildung abgeschlossen hat, verlangt der Ehemann nunmehr aus Eigentum die Herausgabe des noch von der Ehefrau bewohnten Anwesens an ihn, damit er mit seiner neuen Familie dort einziehen könne. Das Familiengericht hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Ehemanns hat das Oberlandesgericht die Ehefrau durch Beschl. v. 16.9.2015 verpflichtet, das Anwesen bis spätestens zum 31.3.2016 an ihn herauszugeben. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau.

[3] II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet.

[4] 1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Antrag auf Herausgabe nach § 985 BGB sei zulässig. Zwar gehe die Regelung des § 1361b BGB als lex specialis dem Herausgabeanspruch aus § 985 BGB vor, soweit eine Ehewohnung vorliege. Das gelte aber nicht, wenn für keinen Ehegatten die Voraussetzungen eines familienrechtlichen Überlassungsanspruchs erfüllt seien; in solchen Fällen sei ein Herausgabeantrag nach § 985 BGB anstelle des Wohnungszuweisungsverfahrens zulässig.

[5] Eine Wohnungszuweisung sei im vorliegenden Fall nicht möglich. Zwar habe das Anwesen seinen Charakter als Ehewohnung nicht dadurch verloren, dass der Ehemann im Jahr 2006 aus ihr gewichen sei, denn dies sei nur den aktuellen Erfordernissen der Trennungssituation geschuldet gewesen und bedeute keine endgültige Aufgabe der Wohnung. Der Ehemann habe die Wohnung jedoch dadurch endgültig aufgegeben, dass er Ende 2007 in das 2004 erworbene Haus eingezogen sei und die Absicht verfolgt habe, das vormalige Familienheim zu veräußern. Dadurch habe er zum Ausdruck gebracht, dass er keine Rückkehrabsichten in das frühere Haus mehr gehabt habe, so dass eine Zuweisung als Ehewohnung auf der Grundlage des § 1361b BGB für keinen Ehegatten mehr infrage komme.

[6] Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB sei auch begründet, da die Ehefrau kein Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB entgegensetzen könne. Ein solches ergebe sich weder aus Vereinbarung noch aus § 1361b Abs. 4 BGB. Zwar bestehe nach dieser Vorschrift die unwiderlegbare Vermutung der Nutzungsüberlassung, nachdem der Ehemann Ende 2007 endgültig aus der früheren Ehewohnung ausgezogen sei und jedenfalls bis Ende 2011 keine ernsthafte Rückkehrabsicht geäußert habe. Eine Berufung der Ehefrau auf § 1361b Abs. 4 BGB sei jedoch wegen der besonderen Umstände und der langen Trennungszeit rechtsmissbräuchlich gemäß § 242 BGB. Zum einen habe der Ehemann von Anfang an klar gemacht, dass die Überlassung nur eine vorübergehende bis zum Schulabschluss der Tochter sein solle. Zum anderen hätten die Ehegatten bereits vor der Trennung gemeinsam den Entschluss gefasst, das Anwesen zu veräußern, um damit das in 2004 erworbene Haus zu finanzieren. Von dem gemeinsamen Vorhaben, das vormalige Familienheim als Ehewohnung aufzugeben, habe sich die Ehefrau nicht einseitig lösen können. Hinzu komme die ungewöhnliche Dauer des Scheidungsverfahrens...

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