Herbsttagung und Mitgliederversammlung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht in Weimar (26.–28.11.2015)

Diesmal war die Herbsttagung ganz besonders gut besucht: Mehr als 400 Teilnehmer waren nach Weimar gekommen, um sich mit Kolleginnen und Kollegen zu treffen, mit ihnen Erfahrungen auszutauschen und sich über wichtige Themen zu informieren und fortzubilden.

Ehe für alle – eine Selbstverständlichkeit?

In 21 Staaten ist die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare längst Realität. Zuletzt wurde sie im Mai 2015 in Irland durch eine Volksabstimmung für alle Paare zugelassen und kurz darauf in den USA durch den Obersten Gerichtshof legalisiert. Auf dem Symposium zu Beginn der Tagung informierte Dr. Dr. Jens Scherpe, M.A. und MJur, University of Cambridge, über aktuelle Entwicklungen im Ausland und zeichnete die unterschiedlichen Wege auf, die zur Öffnung der Ehe führten. Sie wurde in einigen Ländern vor Gericht durch Verfassungsklagen erstritten, eben nicht nur in den USA, sondern auch in Südafrika oder in Brasilien. In anderen Staaten wiederum wurde die Ehe für alle durch Parlamentsgesetze eingeführt, als Beispiele nannte Scherpe Spanien, Portugal, Argentinien und Uruguay. In vielen osteuropäischen Staaten jedoch, vor allem in Russland, sei der Widerstand gegen die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften erheblich. Aber weltweit gebe es eine immer größer werdende Zahl von Rechtsordnungen, die sich der Ehe für alle öffnen, resümierte Jens M. Scherpe. Darunter befinden sich auch Länder mit christlichem Hintergrund wie Argentinien, Malta oder Irland. Die Ehe wird hier eben nur als Rechtsrahmen gesehen, den der Staat zur Verfügung stellt.

Nicht das Ende des Abendlandes

In Deutschland ist es für gleichgeschlechtliche Paare bislang nur möglich, eine Lebenspartnerschaft einzugehen, die der Ehe zwar angeglichen, aber nicht ebenbürtig ist. Das Thema "Ehe für alle" stehe hierzulande erst seit Mai 2015 auf der Tagesordnung, als Irland die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnete, konstatierte Prof. Dr. Nina Dethloff von der Universität Bonn. Wenn das selbst in diesem katholischen Land möglich sei, könne das wohl kaum den Untergang des Abendlandes oder das Ende der Ehe bedeuten. Ohnehin sei in Deutschland eine Mehrheit quer durch die Konfessionen und Parteien dafür, die Ehe für alle zu öffnen; das hätten entsprechende Umfragen ergeben. Es gibt zwei Gesetzentwürfe (Linke und Bündnis 90/Die Grünen), die eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare vorsehen, und einen Gesetzentwurf des Bundesrates. Aber dass es trotzdem nicht so einfach sein wird, die Ehe für alle einzuführen, wurde spätestens bei der Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages deutlich, von der Rechtsanwalt und Notar Wolfgang Schwackenberg auf der Tagung berichtete. Er selbst war dort als Experte gehört worden, denn er ist Vorsitzender des Ausschusses Familienrecht im DAV. Jetzt referierte er über Bedenken, die dort von verschiedenen Seiten vorgetragen worden waren. Zum Beispiel, dass die Ehe der Fortpflanzung diene, wozu gleichgeschlechtliche Paare nicht fähig seien. Argumente, die Schwackenberg zwar nicht überzeugen konnten. Aber allein die Tatsache, dass sie geäußert würden, zeige, dass die "Ehe für alle" hierzulande zunächst weiter mit einem Fragezeichen versehen bleiben wird, so wie es im Programm der Herbsttagung abgedruckt war.

Der Anwalt als Unternehmer

Das Fortbildungsangebot der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht war wie immer anschaulich, praxisbezogen und vielfältig. Nicht nur Rechtsfragen wurden behandelt, auch die Bedingungen des Anwalts in der eigenen Kanzlei kamen ausführlich zur Sprache: "Der Anwalt als Unternehmer – wie viel muss ich kosten?" In diesem Workshop ging es um die Komplexität des Kanzleibetriebs und das tägliche Spannungsfeld zwischen Zeit, Geld und Qualität.

Die Familienanwältinnen und -anwälte stellten sich ebenso den Herausforderungen, die neueste gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringen. So standen nicht nur das Unterhaltsrecht, der Versorgungs- und Zugewinnausgleich oder das Verfahrensrecht auf dem Programm.

Schnittstelle Ausländerrecht

Ein Workshop befasste sich darüber hinaus mit dem Ausländerrecht, das wegen der zunehmenden Flüchtlingszahlen auch in Verbindung mit dem Familienrecht immer mehr an Bedeutung gewinnt. Im Zusammenhang mit einer Trennung oder einem Sorgerechtsentzug können etwa aufenthaltsrechtliche Probleme entstehen. Sie zu erkennen und dann als Familienanwalt richtig zu agieren, kann die Mandanten vor weitreichenden, mitunter sogar existentiellen Folgen bewahren. So droht zum Beispiel der Verlust eines Aufenthaltsrechts, wenn nicht die richtigen Konsequenzen zum richtigen Zeitpunkt gezogen werden.

Familienrecht und Literatur

Neben den wichtigen Sachthemen gab es auch viel Geistreiches in der Stadt von Goethe und Schiller: Der Vortrag von Prof. (em.) Dr. Uwe Diederichsen von der Universität Göttingen, Beiratsmitglied der Zeitschrift Forum Familienrecht, fand großen Anklang: "...

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