I. Einleitung

Spricht man vom Betreuungsunterhalt, steht das Kind im Zentrum aller Überlegungen. Der Betreuungsunterhalt wird im Interesse des Kindes geschuldet. Er darf vertraglich grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden. Er steht nicht zur freien Disposition des Unterhaltsberechtigten, sondern dient der Gewährleistung der notwendigen persönlichen Betreuung des Kindes. Manch einer fordert gar, den Betreuungsunterhalt beim Kindesunterhalt zu verorten.

So weit so gut. Was aber geschieht mit dem Betreuungsunterhalt, wenn der betreuende Elternteil (wieder) heiratet?[1]

[1] Bzw. eine Lebenspartnerschaft begründet, s. § 1586 Abs. 1, 2. Alt. BGB.

II. Rechtslage

Ein kleiner Fall mag die hier zu erörternde Problemstellung veranschaulichen:

EM1 und EF sind verheiratet. EM1 verdient recht gut, weshalb EF keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen braucht und das gemeinsame Kind persönlich betreuen kann. Als das Kind ein Jahr alt wird, lassen sich die Eltern scheiden. Grund hierfür ist EM2, den EF nach ihrer Scheidung heiratet. Anders als EM1 erzielt EM2 nur ein sehr geringes Einkommen. EF, die von EM1 keinen Ehegattenunterhalt mehr bekommt, ist wegen der desolaten wirtschaftlichen Verhältnisse in ihrer neuen Ehe trotz des von EM1 gezahlten Kindesunterhalts gezwungen, eine Beschäftigung aufzunehmen. Das mittlerweile eineinhalb Jahre alte Kind muss fremdbetreut werden.

EF hat gegen EM1 keinen Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB mehr! Mit der Wiederheirat ist der Ehegattenunterhaltsanspruch der EF gemäß § 1586 Abs. 1 BGB erloschen, und zwar unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beteiligten. Einzige Option: Sollte auch die neue Ehe scheitern, kann EF den EM1 ggf. nach § 1586a Abs. 1 BGB auf Betreuungsunterhalt in Anspruch nehmen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass nach § 1586a Abs. 2 Satz 1 BGB der Ehegatte der später aufgelösten Ehe vor dem Ehegatten der früher aufgelösten Ehe haftet; bei unterstellter Leistungsunfähigkeit des EM2 stünde diese Vorschrift einer Inanspruchnahme des EM1 indes nicht entgegen.[2]

[2] Vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 72. Aufl., § 1586a Rn 3.

III. Bestandsaufnahme

Geht man von der Prämisse aus, dass der Betreuungsunterhalt allein dem Kindesinteresse geschuldet ist, erscheint das soeben gefundene Ergebnis unbefriedigend. Allerdings ist die Rechtslage eindeutig, so dass eine Abhilfe – will man sie denn haben – nur de lege ferenda erfolgen könnte.

Nichts anderes gilt im Übrigen für den Anspruch aus § 1615l BGB. Zwar verweist die Norm, die den Unterhalt für die Betreuung eines nichtehelichen Kindes regelt, nicht auf § 1586 BGB. Allerdings hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2004 entschieden, dass § 1586 Abs. 1 BGB auf den Unterhaltsanspruch aus Anlass der Geburt nach § 1615l BGB entsprechend anwendbar ist.[3]

Die Frage, die sich zwangsläufig stellt, lautet: Ist diese Konsequenz in einer Zeit, in der mehr denn je das Kindeswohl im Vordergrund steht und in der von einem Paradigmenwechsel von der Bedürftigkeit des Betreuenden hin zur Betreuungsbedürftigkeit des Kindes die Rede ist,[4] noch angemessen bzw. gewollt? Um hierauf eine Antwort zu finden, bedarf es zunächst einer Bestandsaufnahme.

[3] BGHZ 161, 124 = FamRZ 2005, 347 mit Anm. Schilling, FamRZ 2005, 351 und Anm. Graba, FamRZ 2005, 353. – Auf den nachpartnerschaftlichen Unterhalt findet § 1586 Abs. 1 BGB gemäß § 16 Satz 2 LPartG ebenfalls entsprechend Anwendung, s. Palandt/Brudermüller, BGB, 72. Aufl., § 16 LPartG Rn 6.
[4] Vgl. Stellungnahme des DFGT (Puls) zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts vom 18. Juli 2005, S. 4 f., Quelle: http://www.dfgt.de/resources/SN–Uko–Refentw_Unterhalt.pdf (Stand: 23. Februar 2013); s. auch Puls, FamRZ 1998, 865, 869, wonach die rechtsethische Rechtfertigung für Unterhaltsansprüche des betreuenden Elternteils in der Bedürftigkeit des Kindes liegt.

1. Gesetzgebungsgeschichte

Das Bürgerliche Gesetzbuch vom 18. August 1896[5] enthielt bereits in § 1581 Satz 1 die Regelung, dass die Unterhaltspflicht mit der Wiederverheiratung des Berechtigten erlischt. Mit dem Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet vom 6. Juli 1938[6] (EheG) wurde diese Regelung in § 75 und nach dem Zweiten Weltkrieg mit Gesetz Nr. 16 des Alliierten Kontrollrats über die Ehe vom 20. Februar 1946[7] (EheG 1946) in dessen § 67 wortgleich übernommen. Mit dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14. Juni 1976[8] fand die genannte Regelung in § 1586 Abs. 1 BGB ihre endgültige Wirkungsstätte. In § 1586a Abs. 1 BGB regelte der Gesetzgeber nunmehr, dass der Unterhaltsberechtigte im Falle der Auflösung der neu eingegangenen Ehe von dem früheren Ehegatten Unterhalt nach § 1570 BGB verlangen kann, wenn er ein Kind aus der früheren Ehe zu pflegen oder zu erziehen hat. Nach der bis Ende 2007 geltenden Fassung konnte der Unterhaltsberechtigte gemäß § 1586a Abs. 1 Satz 2 BGB zudem "Betreuungsanschlussunterhaltsansprüche"[9] aus §§ 1571 bis 1573 und § 1575 BGB für den Fall verlangen, dass ...

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