Das am 1.1.1992 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts für Volljährige (Betreuungsgesetz – BtG) besteht jetzt annähernd ein Fünftel der Zeit, die das Vorgängerrecht existierte. In dieser Zeit von knapp 19 Jahren wurde es mindestens fünfmal geändert, dreimal durch Betreuungsrechtsänderungsgesetze,[1] zweimal eher beiläufig aus Anlass von Rechtsänderungen, die dem Vormundschaftsrecht galten.[2] Durch Rechtsprechung wurde seine Anwendung nicht unwesentlich beeinflusst, leider nicht immer zu seinem Vorteil. Das Bundesverfassungsgericht wurde seit 1992 mehrmals angerufen;[3] die Fälle, in denen der Bundesgerichtshof tätig wurde, lassen sich kaum noch zählen.

Von den maßgeblichen Reformgrundsätzen sind einige in Erinnerung zu rufen, die noch immer nicht hinreichend Beachtung finden.

Die Entmündigung wurde abgeschafft. Damit war das Entmündigungsverfahren gemeint, außerdem die materiell-rechtlichen Konsequenzen der Entmündigung. Tatsächliche Entmündigungen haben damit nicht ihr Ende gefunden. Jeder Betreuungsrichter, jeder Betreuer, jeder, der mit betreuten Menschen in Kontakt kommt, muss sich fragen, ob er mit seinem Verhalten und etwaigen von ihm getroffenen Entscheidungen der Rechtslage hinreichend genügt, dass durch die Betreuerbestellung die Rechtsposition des betreuten Menschen zunächst grundsätzlich nicht beeinträchtigt wird. Der kürzlich von einem Notar zu hörende Satz, der Betroffene habe einen Betreuer und könne deshalb keine Vollmacht erteilen, trifft deshalb in dieser Allgemeinheit nicht zu. Ein den Tatbestand der Vollmachtserteilung erfassender Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) könnte hinderlich sein. Auch würde eine natürliche Geschäftsunfähigkeit einer gültigen Erteilung einer Vollmacht entgegenstehen. Aber allein die Betreuerbestellung macht den betreuten Menschen nicht handlungsunfähig.

Ein Betreuer soll nur bestellt werden, soweit dies erforderlich ist, um die Angelegenheiten des Betroffenen rechtlich zu besorgen und andere Hilfen nicht zur Verfügung stehen oder nicht ausreichen. Die eigene Vorsorge hat Vorrang vor der Bestellung eines Betreuers. Die Praxis bietet immer wieder Beispiele für Verstöße, so dass mehr Menschen unter rechtlicher Betreuung stehen als erforderlich. Aus Anlass der Evaluation des 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes befragte Richterinnen und Richter räumten ein, dass die Bestellung eines Betreuers weniger aufwändig als deren Ablehnung und Begründung sei.[4]

Der jedem betreuten Menschen grundsätzlich zustehende Willensvorrang ist zu beachten und zu berücksichtigen. Erst dann, wenn der Betroffene aufgrund seiner psychischen Krankheit oder seiner Behinderung zu einer situationsgerechten Einschätzung der Sachlage und entsprechender Entscheidung nicht in der Lage ist und sein Wohl oder/und die Vermeidung eines Schadens eine Entscheidung erfordern, trifft der Betreuer die erforderliche Entscheidung, sofern sein Aufgabenkreis ihn dazu ermächtigt, auch wenn er damit dem Willen und den Wünschen des betreuten Menschen nicht folgt. Speziell in Angelegenheiten, die die Person des betreuten Menschen betreffen, ist zu prüfen und festzustellen, ob dieser noch oder wieder in der Lage ist, über eine ärztliche Behandlung, eine freiheitsentziehende Maßnahme oder seinen Aufenthalt selbst eine maßgebliche Entscheidung zu treffen. Ist das der Fall, kommt eine Entscheidung seines Betreuers nicht (mehr) in Betracht. Es bedarf dann auch nicht mehr einer gerichtlichen Genehmigung, die nur dann erforderlich ist, wenn der Betreuer eine Entscheidung zu treffen hat und dies auch tun möchte (oder bereits getroffen hat und nachträglich die Genehmigung des Gerichts einholt).[5]

Die im Lauf der ersten Jahre entstandenen und stetig zunehmenden Streitigkeiten um die Höhe der Vergütung berufsmäßig tätiger Betreuer sind nach der Einführung von Vergütungspauschalen für die zahlenmäßig häufigste Gruppe der "Normalbetreuten" nahezu ausgeblieben.[6]

Schon vor Jahren sorgten fehlerhafte Entscheidungen erster Instanz für Korrekturen der Vergütungsregelungen. Obwohl der Gesetzgeber nur für die Bestellung eines Betreuers, die eines Mitarbeiters eines anerkannten Vereins oder der zuständigen Behörde als Individualbetreuer (§ 1897 Abs. 2 BGB) vorgesehen und eine Abrechnung von deren Tätigkeiten durch den jeweiligen Anstellungsträger vorgesehen hatte (jetzt §§ 7 und 8 VBVG), wurde ein Anspruch auf Aufwendungsersatz und Vergütung für den Fall bewilligt, dass ein Mitarbeiter eines anerkannten Betreuungsvereins als Pfleger für das Verfahren bestellt worden war.[7] Der Gesetzgeber zog nach und regelte in § 67a Abs. 4 FGG (a.F.), dass dem anerkannten Betreuungsverein der Aufwendungsersatz und die Vergütung zustehen, wenn ein Mitarbeiter von ihm als Pfleger für das Verfahren bestellt worden war.

War seinerzeit eine fehlerhafte Bestellung für die schließlich mithilfe des BVerfG durchgesetzten Ansprüche ursächlich, sind jetzt erstinstanzliche Gerichte und deren Oberlandesgerichte dazu übergega...

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