[1] Die Rechtsbeschwerdeführerin (im Folgenden: Mutter) wendet sich gegen die teilweise Entziehung des Sorgerechts für ihre im Mai 2000 geborene Tochter.

[2] Die nicht miteinander verheirateten Eltern, die zunächst mit dem Kind zusammengelebt hatten, trennten sich im April 2009. Das Kind blieb im Haushalt der Mutter, der die alleinige elterliche Sorge zusteht. Das Kind wurde während der Woche von der Großmutter mütterlicherseits betreut, zu der es eine enge Beziehung hat. Die Wochenenden verbrachte es bei der Mutter.

[3] Der Vater versuchte nach der Trennung wiederholt, Umgang mit dem Kind zu erhalten. Auf seinen Antrag wurde ein Umgangsverfahren vor dem Familiengericht durchgeführt. Trotz einer von den Eltern getroffenen vorläufigen Vereinbarung, eines später gegen die Mutter verhängten Ordnungsgeldes sowie einer anschließenden gerichtlichen Umgangsregelung kamen Umgangskontakte nicht zustande. Das Scheitern lag im Wesentlichen in der ablehnenden Haltung der Mutter begründet, die dem Kind wegen seines Wunsches nach Kontakt mit dem Vater unter anderem massive Vorhaltungen gemacht hatte und auch einen begleiteten Umgang im Jugendamt ablehnte. Weitere Vermittlungsbemühungen und -vorschläge blieben ohne Erfolg.

[4] Entsprechend vorherigen Androhungen hat das AG im Juni 2010 das vorliegende Verfahren zur Entziehung der elterlichen Sorge eingeleitet. Es hat zur Erziehungsfähigkeit der Mutter ein familienpsychologisches Sachverständigen-Gutachten eingeholt. Das AG hat sodann die Verfahrensbeteiligten und die Sachverständige angehört. Eine Anhörung des Kindes im abschließenden Anhörungstermin ist daran gescheitert, dass die anwesende Großmutter dem Amtsrichter den Zugang zum Kind unmöglich gemacht hat. Mit Beschl. v. Tag der Anhörung hat das AG der Mutter die elterliche Sorge in den Teilbereichen Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge und Recht zur Antragstellung auf Sozialleistungen entzogen und diese dem Jugendamt als Pfleger übertragen. Das Kind befindet sich seit der Entscheidung in einem Heim der Jugendhilfe.

[5] Das OLG hat die von der Mutter gegen den Beschluss des AG eingelegte Beschwerde zurückgewiesen.

[12] Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

[23] Die Entscheidung des OLG begegnet [ … ] in der Sache durchgreifenden Bedenken. Die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen tragen eine Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und weiterer Sorgebefugnisse der Mutter nicht.

[24] Wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet wird und die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, hat das Familiengericht nach § 1666 Abs. 1 BGB die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. Zu den gerichtlichen Maßnahmen gehört insbesondere nach § 1666 Abs. 3 Nr. 6 BGB die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.

[25] a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist Voraussetzung für ein Eingreifen des Familiengerichts eine gegenwärtige, in einem solchen Maß vorhandene Gefahr, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt (Senatsbeschl. BGHZ 184, 269 = FamRZ 2010, 720 Rn 19 und v. 15.12.2004 – XII ZB 166/03 – FamRZ 2005, 344, 345 m.w.N.). Als gewichtige Gesichtspunkte des Kindeswohls hat der Senat die Erziehungseignung der Eltern, die Bindungen des Kindes, die Prinzipien der Förderung und der Kontinuität sowie die Beachtung des Kindeswillens angeführt (Senatsbeschl. BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn 19 und vom 6.12.1989 – IVb ZB 66/88 – FamRZ 1990, 392, 393 m.N., jew. zu § 1671 BGB).

[26] Die sich daraus ergebenden Anforderungen für eine Gefährdung des Kindeswohls hat die angefochtene Entscheidung im Ausgangspunkt allerdings berücksichtigt. Das OLG hat eine Gefährdung des Kindeswohls darin gesehen, dass das Verhalten der Mutter bei dem Kind zu einem Loyalitätskonflikt geführt habe. Dieser habe bereits manifeste Verhaltensauffälligkeiten und Bindungsstörungen hervorgerufen, die nach Mitteilung des Jugendamts sogar psychologisch und psychotherapeutisch behandelt werden müssten. Dabei handelt es sich um einen Befund, der zu einem Eingriff in das Sorgerecht nach § 1666 BGB Veranlassung gibt (vgl. Senatsbeschl. v. 12.3.1986 – IVb ZB 87/85, NJW-RR 1986, 1264, 1265 sowie v. 11.7.1984 – IVb ZB 73/83, FamRZ 1985, 169, 171). Denn durch das Verhalten der Mutter, das sowohl durch Herabsetzung des Vaters als auch durch Manipulation des Kindes auf eine Unterbindung der Umgangskontakte gerichtet ist, werden die nach den Feststellungen der Vorinstanzen intakten Bindungen des Kindes zu seinem Vater erheblich beeinträchtigt. Das begründet jedenfalls im Zusammenhang mit dem bestehenden verschärften Elternkonflikt die Gefahr einer seelischen Schädigung des Kindes. Zugleich erweist sich eine nur eingeschränkte Erziehungseignung der Mutter, weil ihr die erforderliche Bindungstoleranz fehlt und sie d...

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