Das Nebengüterrecht als Richterrecht ist seit seiner Einführung 1952 nicht zur Ruhe gekommen, und das wird ihm auch künftig nicht gelingen. Es ist historisch überholt, problembehaftet, kompliziert und für die Anwaltschaft haftungsgeneigt. Nebengüterrecht ist materiell Güterrecht und muss dort auch formell gesetzlich geregelt werden.

Mein Vorschlag verlagert die Billigkeitskontrolle vom Schuldrecht (§ 313 BGB) unmittelbar in die gesetzliche Zugewinnausgleichsregelung des § 1378 BGB und gibt ihr damit einen systemgerechten Standort, erhebt ihn selbst zum Teil des gesetzlichen Zugewinnausgleichstatbestands. Damit erledigt sich automatisch auch das Legitimitätsproblem und außerdem entsteht eine klare, erkenn- und auffindbare, rechtssichere Prüfungs- und Beratungssituation, was in der notwendigen Reihenfolge zuerst der Anwaltschaft und damit dem Recht suchenden Bürger zugute kommt.

Wevers Vorschlag hat den Vorteil, die maßgeblichen Aspekte auf nächst höherer und dennoch familienrechtlicher Ebene zu regeln, womit sie auch anderen Rechtsverhältnissen zugänglich gemacht würden, insbesondere dem zwischen Schwiegereltern und Schwiegerkindern. Der "Vorschlag Wever" ist visionär, Er fasst in einer einzigen Rechtsgrundlage nicht nur Ansprüche zwischen Schwiegereltern und Schwiegerkindern zusammen, und zwar in beide Richtungen.[71] Er denkt vielmehr im Hinblick auf viele Fragen voraus, die noch gar nicht oder nur zum Teil entschieden oder noch umstritten sind, etwa zusätzliche Generationen umfassend (Großeltern/Enkel, rechtliche und faktische "Schwiegergroßeltern" usw.). Er sollte daher unter Schaffung eines geeigneten Unterabschnitts in das 4. Buch des BGB aufgenommen werden.

Ansprüche zwischen Ehegatten müssen allerdings aus begrifflichen, dogmatischen, rechtshistorischen und -politischen Gründen gesondert, nämlich im gesetzlichen Zugewinnausgleich geregelt werden ("Vorschlag Herr"). Die Gemeinsamkeiten zwischen dem formellen (gesetzlichen) Zugewinnausgleich und dem, was heute noch "Nebengüterrecht" heißt, sind offensichtlich. Die Änderung/Ergänzung von § 1378 BGB würde auch sonst überzeugen:

Güterrechtliche Ausgleichsansprüche zwischen Ehegatten einerseits und solche unter Beteiligung anderer Familienmitglieder dürfen nicht in eins gesetzt werden. Das Gesetz sieht nun einmal für die Regelung des Zugewinns bei Ehegatten besondere (spezielle, d.h. vorrangige) Regeln vor, die auch auf sie zugeschnitten sind,
Systemgerechter Standort → Verringerung von Haftungsrisiken für Rechtsanwälte,
die bislang über § 313 BGB vorzunehmende Billigkeitsabwägung wäre nunmehr unmittelbar nach dem Zugewinnausgleichsrecht vorzunehmen (neuer Abs. 2 S. 2. des § 1378 BGB nach Legislativvorschlag "Herr") und weiterhin gewährleistet,
die gesonderte, nicht gesetzlich geregelte Ausübungskontrolle von Eheverträgen mit Güterrechtsbezug würde mit der Verankerung im Gesetz hinfällig (neuer Abs. 2 S. 3 des § 1378 BGB nach Legislativvorschlag "Herr"),
Systematisch entstünde dadurch ein Gleichlauf zum Versorgungsausgleich (§ 8 Abs. 1 VersAusglG), gesetzliche Kontrolle von Eheverträgen mit VA-Bezug),
Es wäre einheitlich der Berechnungsstichtag des § 1384 BGB maßgeblich,
Fälligkeit einheitlich mit Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses; vorzeitiger Zugewinnausgleich unter den Voraussetzungen des § 1385 BGB in allen Fällen möglich (sowohl Gestaltungs- als auch Leistungsantrag),
bei "echten" und "fortgesetzten" BGH-Innen- und Außergesellschaften, die einem Drittvergleich standhalten (DFGT-Vorschlag, künftig nur noch seltener Ausnahmefall) wäre hingegen für Berechnungsstichtag und Fälligkeit weiterhin die Anwendung des Gesellschaftsrechts gewährleistet,
einheitliche Anwendung einschlägiger zugewinnausgleichsrechtlicher Sonderregelungen, etwa § 1383 BGB,
es würde ein einheitliches Verfahrensrecht gelten (§§ 261 ff. FamFG statt § 266 FamFG),
die ursprünglichen Nebengüterrechtssachen wären als formelle Güterrechtsachen jetzt Folgesachen (§ 137 Abs. 2 S. 4. FamFG). Das Nebeneinander in zwei verschiedenen Verfahren, die sich gegenseitig beeinflussen und behindern, würde – endlich und wirklich – der Vergangenheit angehören![72]

Autor: Dr. Thomas Herr, Rechtsanwalt, Fachanwalt FamR a.D., Kassel

FF 12/2021, S. 487 - 498

[71] Die Rechtslage bei Ansprüchen Schwiegereltern gegen Schwiegerkind unterscheidet sich, soweit dazu überhaupt Entscheidungen vorliegen, grundlegend von derjenigen der "Gegenrichtung", vgl. etwa Budzikiewicz, Von freigiebigen (Schwieger-)Kindern – Unbenannte Zuwendungen außerhalb von Lebensgemeinschaften, FS Koch 2019, S. 343 ff.
[72] Nachdem das FamFG vom 17.12.2008 es lediglich aus der Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichte herausgelöst und in die Familiengerichtsbarkeit überführt hatte, aber eben in ein eigenes Verfahren und nicht als Folgesache (§ 266 FamFG).

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