Aus den oben aufgeführten Schwierigkeiten für die fokussierte Arbeit des Sachverständigen lassen sich direkte Folgerungen für einzelne Verfahren, aber auch allgemeinere Folgerungen für die Rechtsprechung ziehen.

Im jeweiligen einzelnen Verfahren sollte seitens des Gerichts mehr Schutz für den Sachverständigen gegeben werden, z.B. im Hinblick auf Begegnungen im Gerichtsflur oder im besonderen Falle auch außerhalb des Gerichts nach einer mündlichen Verhandlung. Auf jeden Fall sollten Hinweise eines Sachverständigen, dass z.B. ein Wachmann im Rahmen einer mündlichen Verhandlung anwesend sein sollte, von den Gerichten ernst genommen und umgesetzt werden.

Die Begutachtung von potentiell gewalttätigen Eltern birgt ein besonderes Risiko für den Sachverständigen. So sollte seitens der beauftragenden Gerichte schon vor der Beauftragung mündlich darauf hingewiesen werden, sofern bereits eine entsprechende Vergangenheit oder Erfahrungen bei einem Elternteil vorliegen, damit der Sachverständige entsprechende Rahmenbedingungen (z.B. Termine im Gerichtsgebäude aufgrund der dort vorhandenen Einlasskontrollen) vornehmen kann.

Neben solch konkreter Schutzmaßnahmen, sollte die Verwertung von heimlich aufgenommenen Aufzeichnungen, welche aufgrund der oben aufgeführten Gründe äußerst problematisch sind, bei Gericht prinzipiell nicht zugelassen werden.

Bei vielen oben dargelegten Schwierigkeiten könnte durch mehr richterliche Weisung Abhilfe geschaffen werden.

Die Anleitungspflicht durch das Gericht wird jedoch in manchen Verfahren durch Sachverständige nicht genug eingefordert und von Richtern kaum wahrgenommen. So bleiben die Sachverständigen mit Problemen alleine. An dieser Stelle wären interdisziplinäre Fortbildungen hilfreich, welche Richter auf die möglichen Problemsituationen von Sachverständigen aufmerksam machen und Wege aufweisen, damit im Verfahren umzugehen. Als besonders hervorzuheben erscheint hier eine konkrete und schriftliche Handlungsanweisung durch den Richter, wie z.B. in einem Fall vorgegangen werden soll, wenn ein Elternteil die Teilnahme des Kindes verweigert.

Weiter wäre es sehr wünschenswert, dass der Sachverständige durch den beauftragten Richter Anleitung erhält, inwiefern – auch bereits vorab – eingereichte Fragekataloge zu beantworten sind und ob diese Tätigkeit vergütet wird.

Hilfreich wären zudem obergerichtliche Rechtsprechungen für Fragen, die den Sachverständigen im Alltag beschäftigen und auf die es bisher keine verbindlichen Antworten gibt, um zumindest eine Orientierung zu geben. Viele Fragen muss der Sachverständige alleine klären, die später zu Angriffen gegenüber dem Sachverständigen genutzt werden. Hier können nur einige genannt werden, welche wiederholt auftauchen, und bei denen eine rechtliche Abklärung erhebliche Erleichterung für die Arbeit des familienpsychologischen Sachverständigen mit sich bringen würde:

Welche Aufklärungspflicht hat der Sachverständige? Im FamFG besteht zwar keine explizite Aufklärungspflicht, sie wird in den Mindeststandards aber erwähnt. Es würde Rechtssicherheit geben, wenn die Gerichte eindeutig festlegen würden, ob eine Aufklärung im Familienrecht nicht schon durch den Richter erfolgen muss, ob es ausreicht, dass den Betroffenen der Beweisbeschluss bekannt ist,[50] oder ob eine Aufklärung durch den Sachverständigen verpflichtend ist. Wenn ja, in welcher Form sie dann erfolgen soll, und welche Bereiche sie abdecken muss, um nicht Angriffen ausgesetzt zu werden. Immer wieder kommt es zu Beschwerden oder zu Klagen gegenüber dem Sachverständigen, die Eltern seien nicht ausreichend auf die Freiwilligkeit hingewiesen worden. Es wären zudem folgende Fragen zu klären: Besteht ein Widerrufsrecht über bereits getätigte Aussagen? Muss aufgeklärt werden, dass der Sachverständige seine Ergebnisse dem Gericht mitteilen muss? Müssen die Gespräche der Eltern oder mit dritten Personen transkribiert und von diesen freigegeben werden?
Ein Elternteil will im Rahmen der Interaktionsbeobachtung sein Kind fotografieren. Darf der Sachverständige dies zulassen? Benötigt er die Einwilligung des anderen Elternteils oder des Kindes?
Ein Elternteil will, dass jedes Gespräch mit dem Kind oder jede Interaktionsbeobachtung eines Elternteils mit dem Kind vom Sachverständigen digital aufgezeichnet wird, der andere Elternteil oder das einsichtsfähige Kind lehnen eine solche Aufzeichnung ab. Reicht die Entscheidung von erheblicher Bedeutung soweit, dass sie das Vorgehen des Sachverständigen mitbestimmt?
Darf der Sachverständige im Fahrzeug eines Elternteils mitfahren, z.B. wenn bei einem Elternteil ein Hausbesuch erfolgen soll, und er mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer zu erreichen ist? Wenn ja, muss die Fahrt einen Untersuchungszweck (und welchem) dienen? Was darf er bei dieser Fahrt besprechen? Darf er selbst in seinem Fahrzeug das Kind von einem Elternteil zum anderen bringen? Darf er dann mit dem Kind ein Explorationsgespräch führen, auch wenn dies möglicherweise Einfluss auf sein Fahr...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge