Zielgruppe des Projektes sind alle am familiengerichtlichen Verfahren beteiligten Fachpersonen, also Familienrichterinnen und -richter, Fachanwältinnen und -anwälte für Familienrecht, Verfahrensbeistände, Fachkräfte aus dem Allgemeinen Sozialen Dienst im Jugendamt oder aus spezialisierten Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe sowie familienpsychologische Sachverständige. Basierend auf dem dargelegten Bedarf an Fortbildungsinhalten besteht das Projekt aus zwei Teilen.

Ein Teil sind webbasierte Fortbildungsangebote. In der Entwicklung solcher Lernangebote zu Themen des Kinderschutzes gibt es bereits umfassende Vorerfahrungen durch Forschungsprojekte der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm.[4] Die im Projekt "Gute Kinderschutzverfahren" zu entwickelnden Fortbildungsangebote umfassen zum einen ein Basiscurriculum, das für alle am familiengerichtlichen Verfahren beteiligten Berufsgruppen die notwendigen Informationen bereitstellt und im Hinblick auf die Verbesserung der Verfahrensabläufe das interdisziplinäre Verständnis zwischen den Berufsgruppen fördert. Das Basiscurriculum soll flächendeckend zur Verfügung gestellt werden, das heißt, es können sowohl Juristinnen und Juristen als auch Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, Verfahrensbeistände und familienpsychologische Sachverständige daran teilnehmen. Inhalte des Basiscurriculums sollen neben rechtlichen Grundlagen (u.a. Familienrecht, Familienverfahrensrecht) auch Grundlagen der Zusammenarbeit der im familiengerichtlichen Verfahren beteiligten Akteure bei Fragen der Gefährdungseinschätzung, Möglichkeiten und Grenzen von Maßnahmen zur Abwendung von Gefährdung und deren Finanzierung sein. Aber auch Themen wie etwa Traumatisierung und ihre Folgen, Formen und Folgen sexuellen Missbrauchs, körperlicher und psychischer Misshandlung und Vernachlässigung sowie entwicklungssensible Anhörung und Gespräche mit Kindern und Jugendlichen werden Gegenstand des Curriculums sein. Da jede der Zielgruppen zu bestimmten der genannten Aspekte bereits Vorwissen mitbringt, wird ein Teil der Lerninhalte verpflichtend für alle sein, ein Teil jedoch auch berufsgruppenspezifisch aufbereitet. Dieser Teil kann fakultativ bearbeitet werden. Ziel ist es, dass jede Berufsgruppe die für sie relevanten, und für die Berufspraxis notwendigen Inhalte vorfindet und durch die gemeinsamen verpflichtenden Teile alle Teilnehmenden eine gemeinsame Wissensbasis und "Sprache" erreichen.

Des Weiteren wird ein Vertiefungsmodul entwickelt, welches Standards für die Erstellung der im Koalitionsvertrag benannten "Stellungnahme von Fachleuten" anbietet, bspw. zur Anrufung durch das Jugendamt nach § 8a Abs. 2 SGB VIII. Mit diesem Modul sollen die Fachkräfte für komplexere Aspekte geschult werden, die häufig ungenügend erhoben und bewertet werden, wie bspw. die Einschätzung der Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit der Eltern, die Überprüfung elterlicher Erklärungen für Verletzungen des Kindes und die Einschätzung elterlicher Modelle der Erziehung.

Im zweiten Teil des Projektes geht es um die Anwendung der Inhalte des Fortbildungsangebots in (voraussichtlich) sechs Modellregionen.[5] In den teilnehmenden Regionen sollen möglichst viele der assoziierten Fachkräfte das Basiscurriculum durchlaufen, die spezialisierten Fachkräfte auch das Vertiefungsmodul. Vor allem geht es aber darum, dass sich in Projekttreffen Fachkräfte verschiedener Professionen anhand von Fällen über Aspekte des familiengerichtlichen Kinderschutzverfahrens austauschen und eine gemeinsame Basis für qualifizierte Einschätzungen zur Gefährdung von Kindern und Jugendlichen sowie zur Abwendungsfähigkeit und -bereitschaft von Eltern entwickeln. Schwerpunkt der zu bearbeitenden Fälle wird sexueller Missbrauch sein, jedoch werden auch andere Formen von Kindesmisshandlung und Vernachlässigung berücksichtigt. In der Praxis treten häufig mehrere Formen kombiniert im Sinne einer multiplen Viktimisierung auf.[6] Die Qualifizierung bezieht sich unter anderem auf die komplexen Fragen der Schwelle zwischen nicht gewährleistetem Kindeswohl und Kindeswohlgefährdung, der Prognosen im Hinblick auf eine erhebliche Schädigung, die sog. Erziehungsfähigkeit der Eltern sowie erfolgversprechende Hilfe- und Schutzmaßnahmen. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Kindesanhörung gelegt.

[4] Fegert/Brown/Harsch/Rassenhofer/Hoffmann, Wissenstransfer, Dissemination, E-Learning – Webbasierter Wissenstransfer an der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm, 2018. Verfügbar unter https://www.uniklinik-ulm.de/fileadmin/default/Kliniken/Kinder-Jugendpsychiatrie/Dokumente/Bericht_AG_Wissenstransfer_Dissemination_E-Learning.pdf.
[5] Die Auswahlkriterien werden durch den Projektbeirat erarbeitet. Ziel ist es, möglichst unterschiedliche Regionen auszuwählen; Kriterien könnten zum Beispiel die Organisationsform der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren im familiengerichtlichen Kinderschutzverfahren oder bereits etablierte Bes...

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