Kommt die Reform noch?

I. Einleitung

Um den Auskunftsanspruch des Scheinvaters ist es ruhig geworden. Nachdem der BGH in mehreren Entscheidungen[1] die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Kindesmutter gegenüber dem früheren rechtlichen Vater (sog. Scheinvater) zur Auskunft darüber, zu welchem Mann sie in der gesetzlichen Empfängniszeit eine intime Beziehung unterhalten hatte, konkretisiert hatte, wurde diese Rechtsprechung bekanntlich im Februar 2015 vom Bundesverfassungsgericht wegen Überschreitung der Grenzen zur richterlichen Rechtsfortbildung für verfassungswidrig erklärt.[2] Zwar wurden dann zwischen September und November 2016 ein Referenten- und Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Reform des Scheinvaterregresses (…) vorgelegt.[3] Die danach im Mittelpunkt stehenden Regelungen zu einer Auskunftspflicht der Mutter des Kindes einerseits sowie einer zeitlichen Begrenzung des Regressanspruches andererseits wurden in der Folge einer kritischen Betrachtung unterzogen. Allerdings scheint die Reform seitdem aus dem Blick des Gesetzgebers geraten zu sein, sodass die Justizministerinnen und Justizminister der Länder auf ihrer diesjährigen Konferenz an das von Ihnen begrüßte Reformvorhaben erinnerten und die Bundesregierung baten, "eine Gesetzesänderung zur Etablierung dieses Auskunftsanspruchs zu initiieren, der es den Gerichten ermöglicht, unter Abwägung der Rechte bzw. Interessen der Betroffenen eine Entscheidung über die Erteilung der Auskunft zu treffen."[4]

Im Folgenden wird vor dem Hintergrund der geäußerten Kritik auf die im Regierungsentwurf vorgeschlagenen Reformregelungen näher eingegangen, wobei die für den Auskunftsanspruch maßgebliche Interessenabwägung sowie die für die Anspruchsbegrenzung angeführte Argumentation eines "gelebten Familienlebens" im Mittelpunkt stehen.

[2] BVerfG v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, FamRZ 2015, 729; hierzu u.a. Wendelmuth, FF 2017, 16 ff.
[3] BT-Drucks 18/10343 v. 16.11.2016.
[4] FF 2019, 270.

II. Regelungszusammenhang

Dem Scheinvater steht gegen den rechtlichen Vater, in bestimmten Ausnahmekonstellationen auch gegen den biologischen Vater, gemäß § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB ein Regressanspruch zu.[5] Nach dieser Vorschrift geht der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen einen Elternteil auf einen Dritten über, wenn dieser dem Kind als Vater Unterhalt gewährt hat. Damit realisiert die gesetzliche Regelung den Regressanspruch im Wege der Legalzession und stellt diesen Anspruch in den Regelungszusammenhang der unterhaltsrechtlichen Ausfall- bzw. Ersatzhaftung. Dabei wird in § 1607 Abs. 1 BGB die originäre Haftung auf Unterhalt für Verwandte normiert, wenn ein nach § 1606 Abs. 1 BGB vorrangiger Verwandter – etwa im Fall mangelnder Leistungsfähigkeit – nicht unterhaltspflichtig ist, ohne dass ein unterhaltsrechtlicher Rückgriff eröffnet ist.[6] Diesen eröffnet jedoch Abs. 2 der Regelung für den Fall, dass die Rechtsverfolgung gegen einen Verwandten im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist, wobei hiervon insbesondere die Fälle der nicht bestehenden rechtlichen Vaterschaft sowie einer fehlenden Realisierbarkeit von Unterhaltszahlungen aufgrund fiktiver Einkünfte erfasst sind.[7] Schließlich wird in § 1607 Abs. 3 BGB zwischen dem Dritten, der als Vater Unterhalt gewährt hat (Satz 2) und anderen, nicht unterhaltspflichtigen Verwandten und dem Ehegatten des anderen Elternteils, der für das Kind Unterhalt erbringt, differenziert (Satz 1). Im Gegensatz zu Abs. 1 führen Unterhaltsleistungen der in Abs. 2 und 3 genannten Personen zu einem Anspruchsübergang und entlasten daher den unterhaltspflichtigen Elternteil nicht endgültig. Großeltern, die für ihr Enkelkind Unterhalt erbringen oder hierzu verpflichtet werden, können den rechtlichen Vater gemäß § 1607 Abs. 2 BGB für erbrachte Zahlungen in Anspruch nehmen, wenn das Kind von diesem Leistungen nicht erhält.[8] Demgegenüber wird die Regelung in § 1607 Abs. 3 Satz 1 BGB primär für Geschwister des Elternteils oder Geschwister des Kindes, aber auch den Ehegatten des (betreuenden) Elternteils, mithin dem Stiefelternteil, relevant,[9] weil diese dem Kind selbst nicht unterhaltspflichtig sind, jedoch die entstehende Finanzierungslücke aus eigener Motivation, die gefördert werden soll, decken.

Der Unterhaltsregress des Scheinvaters nach § 1607 Abs. 3 Satz 2 BGB setzt in jedem Fall voraus, dass seine bisher bestehende rechtliche Vaterschaft, die durch Ehe (§ 1592 Nr. 1 BGB) oder durch Anerkennung der Vaterschaft (§§ 1592 Nr. 2, 1594, 1599 Abs. 2 BGB) begründet worden war, im Wege der Vaterschaftsanfechtung aufgelöst wurde. Vor der rechtskräftigen Auflösung seiner rechtlichen Vaterschaft kann der Scheinvater einen Regressanspruch gegen den biologischen Vater nicht geltend machen.[10] Den auf ihn übergegangenen Anspruch kann der Scheinvater nur geltend machen, wenn ihm der r...

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