In rechtlicher Hinsicht waren diese Ehen in Deutschland grundsätzlich anzuerkennen, sofern die Ehegatten sie nach ihrem jeweiligen Heimatrecht wirksam geschlossen hatten (Art. 13 Abs. 1 EGBGB). Die Anerkennung konnte nur versagt werden, wenn ein Verstoß gegen den sog. ordre public vorlag (Art. 6 EGBGB) und dieser Verstoß die Unwirksamkeit der Ehe zur Folge hatte. Hierzu hatte sich eine nicht ganz einheitliche einzelfallbezogene Rechtspraxis entwickelt, die hinsichtlich der Frage, ob gegen den ordre public verstoßen wurde, zwischen verschiedenen Altersstufen differenzierte: Üblicherweise wurden ausländische Altersgrenzen von zumindest 16 Jahren als unproblematisch angesehen, weil auch das deutsche Recht Eheschließungen in diesem Alter – wenn auch erst nach familiengerichtlicher Befreiung im Einzelfall (§ 1303 Abs. 2 BGB) – zuließ. Regelungen, die eine Eheschließung vor Vollendung des 14. Lebensjahres erlaubten, wurden – schon wegen der Strafbarkeit von sexuellen Handlungen an und von unter 14-Jährigen (§ 176 Abs. 1 StGB) – hingegen überwiegend für unzulässig gehalten. Für dazwischenliegende Altersschwellen existierten uneinheitliche Entscheidungen.[4] Eine Verletzung des ordre public konnte allerdings auch geheilt werden, etwa wenn die Ehegatten seit etlichen Jahren einvernehmlich zusammen lebten ("Langzeitehen"). Verstieß eine ausländische Ehemündigkeitsvorschrift gegen den ordre public, kam es hinsichtlich der Rechtsfolge nach überwiegender Rechtsprechung vorrangig darauf an, welche Folge das jeweilige Heimatrecht für Verstöße gegen Ehemündigkeitsregeln vorsah. Führte eine vorzeitige Eheschließung nach den Vorschriften des Herkunftslandes dazu, dass die Ehe dort unwirksam war, so wurde die Ehe üblicherweise nicht als gültig anerkannt. Sah das Heimatrecht dagegen vor, dass die Ehe in diesem Fall zwar fehlerhaft, aber zunächst wirksam und lediglich aufhebbar ist, so galt dies grundsätzlich auch für die Anerkennung in Deutschland.

Diese Rechtslage war unbefriedigend. Je nachdem, was das jeweilige Heimatrecht der Geflüchteten – mit zum Teil differenzierten Vorgaben für unterschiedliche Glaubensgemeinschaften – vorsah, waren die Ehen der Minderjährigen teils als unwirksam, teils als (zunächst) wirksam zu behandeln. Dies hatte praktische Konsequenzen vor allem für die Frage, ob den jeweiligen (Amts-)Vormündern – die den geflüchteten Minderjährigen unabhängig von ihrem Familienstand zu bestellen waren – die tatsächliche Personensorge zustand, d.h. insbesondere ob sie darüber bestimmen konnten, inwieweit ihr Mündel Kontakt zum ebenfalls nach Deutschland geflüchteten Ehegatten hat, mit ihm zusammenlebt und sich seinem Einfluss aussetzt. Nach §§ 1633, 1800 S. 1 BGB a.F. i.V.m. Art. 5, 15 Abs. 1 KSÜ hatten die Vormünder diese Befugnis nur bei unverheirateten Minderjährigen. Vor diesem Hintergrund verwehrte das OLG Bamberg in der bereits erwähnten, Aufsehen erregenden Entscheidung dem Jugendamt als Amtsvormund, über den Aufenthalt und den Umgang eines verheirateten 15-jährigen Mädchens zu bestimmen. Auch die Frage, ob die weiteren Ehewirkungen gelten, hing von der zufälligen Herkunft der betroffenen Minderjährigen ab. Dies betraf insbesondere Ansprüche auf ehelichen und nachehelichen Unterhalt (§§ 1360, 1361, 1570 ff. BGB i.V.m. Art. 15 EuUnthVO, Art. 3 Abs. 1 Haager Unterhaltsprotokoll), das Erbrecht (§ 1931 BGB i.V.m. Art. 20, 21 EuErbVO) und die "Vaterschaftszuweisung" (§ 1592 Nr. 1 BGB i.V.m. Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB) ebenso wie etwa steuer- oder sozialversicherungsrechtliche Vorteile (§ 32a Abs. 5 EStG, § 10 Abs. 1 SGB V).

Dabei erwies sich die Ermittlung und Anwendung des maßgeblichen ausländischen Rechts oftmals als aufwendig, schwierig und fehleranfällig. Dies galt umso mehr, als das deutsche Recht kein förmliches Anerkennungsverfahren für ausländische Eheschließungen vorsah und weiterhin vorsieht. Damit hatten unter Umständen mehrere Gerichte und Behörden – nebeneinander und ohne dass für nachfolgende Entscheidungen rechtliche Bindungswirkungen eintraten – als Vorfragen unter anderem zu prüfen, ob im Falle einer geschlossenen Minderjährigenehe ein Verstoß gegen den deutschen ordre public anzunehmen war und ggf. welche Rechtsfolge (Unwirksamkeit/bloße Aufhebbarkeit) sich daraus unter Berücksichtigung des jeweiligen Heimatrechts ergab. Dies konnte Standesämter betreffen, die die Eintragungsfähigkeit einer ausländischen Ehe im Eheregister zu prüfen hatten (§ 34 Abs. 1 S. 3 PStG), Familiengerichte, wenn sie das (Nicht-) Bestehen einer Ehe feststellten (§ 121 Nr. 3 FamFG), über (nach)ehelichen Unterhalt, die Vaterschaft oder Sorge- und Umgangsrecht entscheiden mussten, aber auch Nachlassgerichte (Erbrecht?), Jugendämter (Erstreckung der Vormundschaft auf die tatsächliche Personensorge?), Ausländerbehörden (Familiennachzug?), Finanzämter (Ehegattensplitting?) oder gesetzliche Krankenkassen (Familienversicherung?).

Kurz: Das bislang geltende Recht wurde dem Problem der – insbesondere im Ausland geschlossenen – Minderj...

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