Die Entscheidung des Kammergerichts in Berlin ist für die anwaltliche Praxis von erheblicher Bedeutung:

Schon die Vorlage eines ALG II Bescheides des Jobcenters, das von einer Bedarfsgemeinschaft ausgeht, reicht im Regelfall dafür aus, dass auch eine verfestigte Lebensgemeinschaft nach § 1579 Nr. 2 BGB in Betracht kommen kann. Insofern gibt es keinen Unterschied in der Definition der Bedarfsgemeinschaft in § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II und einer Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB.

§ 1361 Abs. 3 BGB i.V.m. § 1579 Nr. 2 BGB analog lässt grundsätzlich auch bei einer Lebensgemeinschaft, die nicht den üblichen früheren Zeitraum von zwei bis drei Jahren erfasst, den Rückschluss zu, von einer verfestigten Lebensgemeinschaft auszugehen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind.[1]

Die früher in der Rechtsprechung genannte Voraussetzung von zwei bis drei Jahren Dauer einer Lebensgemeinschaft ist kein Dogma, das nicht im Einzelfall anders entschieden werden kann. Wenn ein Kind aus der neuen Beziehung vorhanden ist, ist der Zeitrahmen deutlich herabgesetzt.[2] Ebenso verhält es sich, wenn die wirtschaftliche Verflechtung sehr intensiv ist, etwa ein gemeinsames Haus oder eine gemeinsame Eigentumswohnung existiert.[3] Das Kammergericht hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass es nicht so entscheidend ist, auf die zeitliche Dauer der Lebensgemeinschaft abzustellen, sondern darauf, wie intensiv die neue Beziehung ist und ob sich der Ehegatte endgültig aus der ehelichen Solidarität für die Eingehung der neuen Lebensgemeinschaft herauslöst.

Im vorliegenden Fall ist von entscheidender Bedeutung, dass der Ehegatte nach außen hin durch die Eintragung in Facebook deutlich gemacht hat, dass er mit der früheren Ehefrau eine Beziehung eingehen will. Einträge, die darauf hindeuten, dass er "seine große Liebe zurück hat", zusammen mit einem alten Hochzeitsbild von vor 40 Jahren und der Eintrag auf derselben Facebook-Seite der neuen Lebensgefährtin (alten Ehefrau aus der 1. Ehe), wonach sie "ihren über alles geliebten Mann zurück gewonnen" hat, sind so eindeutig, dass man den Sachvortrag nur als tollkühn oder dämlich werten kann, es habe sich um eine Art Revanche oder Racheakt oder üblen Scherz gehandelt. Anders als in dem Fall des Amtsgerichts Lemgo sind derartige Facebook-Eintragungen "tödlich". Der Unterhaltsanspruch wird dann rigoros als verwirkt angesehen und dies zu Recht. Für den Anwalt, der einen derartigen Mandanten vertritt, ist dies der Super-GAU und auch nicht mehr zu reparieren. In dem Fall des Amtsgerichts Lemgo hatten sich beide Eheleute aus unerfindlichen Gründen jeweils mit den neuen Partnern im Internet präsentiert. Insofern kam eine Verwirkung unter dem Gesichtspunkt § 1579 Nr. 7 BGB – einseitiges Fehlverhalten des anderen Ehegatten – natürlich nicht in Betracht.[4]

Wichtig ist die Entscheidung auch in dem Zusammenhang mit der Überlegung des Kammergerichts, was die sekundäre Darlegungs- und Beweislast anbelangt. Das KG übernimmt einen Gedanken aus der ausführlichen Rechtsprechung zur sekundären Darlegungs- und Beweislast bei § 1578b BGB, den Dose in dem bekannten Unterhaltsrechtspraxishandbuch Wendl/Dose (9. Aufl. 2015) auf § 1579 BGB weiter ausgedehnt hat.

Insofern ist ausführlich dargelegt, dass es nicht ausreicht, lediglich zu behaupten, der Berechtigte hätte eine reine Wohngemeinschaft oder sei mit der Zeugin nicht liiert.

Klaus Schnitzler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht, Euskirchen

FF 12/2016, S. 502 - 507

[1] Vgl. im Grundsatz auch zutreffend OLG Hamburg FamRZ 2014, 1209.
[2] Vgl. OLG Hamm FamRZ 2014, 1468; OLG Köln FF 2005, 192.
[3] AG Ludwigslust FamRZ 2011, 275 (ein Jahr); OLG Schleswig FF 2004, 292 (18 Monate); neuerdings auch: OLG Oldenburg FF 2012, 258.
[4] Vgl. FuR 2016, 55; Krekeler, FuR 2016, 135.

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