a) Grundlegend für das Verständnis und die Behandlung des VA innerhalb der richterlichen Inhaltskontrolle ist das Urteil des BGH vom 11.2.2004,[1] mit dem er die einschlägigen Vorgaben des BVerfG im Urteil vom 6.2.2001[2] und im Beschluss vom 29.3.2001[3] in das Zivilrecht umsetzte. Dabei stellt der BGH fest, dass die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt und Zugewinn grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Ehegatten unterliegen. Diese Überlegungen gelten – jedenfalls im Grundsatz – auch für den VA. Diese grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen dürfe indes nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre dann der Fall, wenn durch die Vereinbarung eine evident einseitige und durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Vereinbarung für den belasteten Ehegatten unzumutbar erscheint.[4]

b) Nach diesen allgemeinen Ausführungen wird der BGH konkreter. Er misst nämlich diesen Belastungen jeweils ein unterschiedliches Gewicht anhand einer Wertigkeitsskala bei und führt eine besondere Rangabstufung innerhalb des Kernbereichs der Scheidungsfolgen ein. Auf die erste Stufe innerhalb dieses Kernbereichs, also die höchste Wertigkeitsstufe, stellt er den Betreuungsunterhalt des § 1570 BGB a.F., der grundsätzlich nicht der freien Disposition unterliege. Die zweite Stufe gebührt dem Krankheitsunterhalt (§ 1572 BGB) und dem Unterhalts wegen Alters (§ 1571 BGB). Es folgen dann – immer weiter abgestuft mit zunehmenden Dispositionsmöglichkeiten – die übrigen Unterhaltstatbestände und am Ende der Zugewinnausgleich, der sich ehevertraglicher Disposition am weitesten zugänglich erweise.[5] Bei dieser unterschiedlichen Wertigkeit handelt es sich um die objektive Seite im Rahmen der richterlichen Inhaltskontrolle.

c) Auf die gleiche Stufe wie den Altersunterhalt, also die zweithöchste Stufe stellt der BGH aber auch den VA und folgert, als vorweggenommener Altersunterhalt stehe er "vertraglicher Disposition nur begrenzt offen." Diese hohe Wertigkeit des VA hebt der BGH in zwei weiteren Beschlüssen[6] besonders hervor und führt u.a. aus, der VA gehöre zum Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts, das Gesetz messe ihm als Ausdruck ehelicher Solidarität besondere Bedeutung zu.[7] Er stehe deshalb einer vertraglichen Gestaltung nur begrenzt offen.[8] Ein vereinbarter Ausschluss des VA sei deshalb an diesem Gebot der ehelichen Solidarität zu messen und einer Inhaltskontrolle am Maßstab des § 138 Abs. 1 (Wirksamkeitskontrolle als erster Schritt) sowie des § 242 BGB (Ausübungskontrolle als zweiter Schritt) zu unterziehen.[9]

d) Im Wege einer Gesamtwürdigung seien bei einer Wirksamkeitskontrolle (Bestandskontrolle) gemäß § 138 Abs. 1 BGB die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss wie auch die mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen. Stellt sich der Ausschluss nicht schon als sittenwidrig dar, muss der Richter im Rahmen der Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm eingeräumte Rechtsmacht missbrauche, wenn er sich im Scheidungsfall darauf berufe, der VA sei vertraglich abbedungen worden, wobei insbesondere die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Scheiterns der Lebensgemeinschaft im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen des Ehevertrages maßgebend seien.[10] Es handelt sich hierbei um die subjektive Seite der richterlichen Inhaltskontrolle.

e) Bei den Konsequenzen. die bei einer Beanstandung im Wege der Inhaltskontrolle für den VA zu ziehen sind, ergibt sich ein grundlegender Unterschied:

Ist der Vertrag im Wege der Wirksamkeitskontrolle zu beanstanden, dann hat er nach § 138 Abs. 1 BGB keine Bestand, ist also nichtig.[11] Nichtigkeit wird vor allem angenommen, wenn der Verzicht auf den VA zu Lasten des Kindeswohls geht. So ist ein im Ehevertrag kompensationslos vereinbarter Ausschluss des VA sittenwidrig und damit nichtig, wenn die Ehefrau bei Abschluss des Vertrages schwanger ist und die Ehegatten bewusst in Kauf nehmen, dass sie wegen Kindesbetreuung aus dem Berufsleben ausscheiden und bis auf Weiteres keine eigenen Versorgungsanrechte (abgesehen von Kindererziehungszeiten) erwerben wird.[12]
Wenn der Vertrag im Wege der Bestandskontrolle nicht zu beanstanden ist, ist eine Ausübungskontrolle nach § 242 BGB vorzunehmen, wobei im Wege einer Vertragsanpassung die ehebedingten Versorgungsnachteile eines Ehegatten beim Aufbau seiner eigenständigen Altersversorgung auszugleichen sind.[13] Dabei hat sich die richterliche Ausübungskontrolle daran zu orientieren, welche Versorgungsanrechte die Ehefrau ohne die Ehe und die ehebedingte Rollenverteilung durch eigene Berufstätigkeit hätte erwerben können. Obere Grenze des VA ist dabei allerdings imme...

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