Die vorstehende Entscheidung führt die aktuelle Rechtsprechung des BGH zum Elternunterhalt konsequent fort.

Bedarf des Elternteils

Das Maß des geschuldeten Unterhaltes bestimmt sich nach der Lebensstellung des Elternteils (§ 1610 BGB), wird also – anders als beim Kindes- oder Ehegattenunterhalt – nicht abgeleitet von den Verhältnissen des Unterhaltspflichtigen (Kindesunterhalt) oder der Familie (Ehegattenunterhalt). Lebt der Elternteil im Heim (Altenheim oder Pflegeheim), deckt sich sein Unterhaltsbedarf mit den dort anfallenden notwendigen Kosten. Dem Unterhaltspflichtigen obliegt es in der Regel, die Notwendigkeit der Heimkosten substantiiert zu bestreiten.[1] Bestreitet das unterhaltspflichtige Kind die Notwendigkeit der Heimkosten substantiiert, trifft die Darlegungs-/Beweislast den Unterhaltsberechtigten bzw. bei sozialhilferechtlichem Anspruchsübergang den Sozialhilfeträger.[2] An der Notwendigkeit der Heimunterbringung bestanden hier keine Bedenken, ebenso wenig an der Angemessenheit der hiermit verbundenen Kosten.

Zusätzlich steht dem Elternteil ein Barbetrag nach § 27b Abs. 2 S. 1 SGB XII als Taschengeld zu (der BGH zitiert hier die im streitgegenständlichen Zeitraum noch geltende Regelung des § 35 Abs. 2 S. 1 SGB XII, die allerdings seit 2011 außer Kraft ist). Der Barbetrag (= das Taschengeld) beträgt 27 % des Regelbetrags; aktuell in 2015 sind dies 27 % x 399 EUR = 108 EUR (aufgerundet). Nur wenn der Elternteil nicht mehr in der Lage ist, das Taschengeld zur selbstbestimmten Verwendung einzusetzen, entfällt ein bedarfserhöhender Taschengeldanspruch ganz oder teilweise.[3] Bezieht der Elternteil zudem Leistungen, die auf seinen Bedarf nicht angerechnet werden, kann der Taschengeldanspruch ebenso entfallen.[4]

Der Bedarf wäre sodann noch fiktiv um die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu erhöhen, sofern – was der BGH aber bei derzeitiger Sachlage verneint – dem Elternteil fiktive Leistungen der Pflegeversicherung zuzurechnen wären (dazu unter II.).

Bedürftigkeit des Elternteils

Die eigenen Einkünfte wie Renten, Vermögenserträge usw. muss sich der Elternteil zunächst auf den festgestellten Bedarf anrechnen lassen. Im Grundsatz ergeben sich hier keine Besonderheiten zu sonstigen Unterhaltsrechtsverhältnissen. Dies betrifft auch die Zurechnung fiktiver Einkünfte.

Wenn es schuldhaft verabsäumt wurde, ausreichenden Pflegeversicherungsschutz in zumutbarer Weise zu schaffen, muss sich der Pflegebedürftige fiktive Leistungen der Pflegeversicherung als Einkommen zurechnen lassen.[5] Dabei muss sich der Pflegebedürftige u.U. auch Fehlverhalten Dritter zurechnen lassen, z.B. der Sozialbehörde oder seines Betreuers, der hier interessanterweise zugleich der Unterhaltspflichtige war.[6] In Höhe des fiktiven Pflegegelds ist dann eine Bedarfsminderung anzunehmen.

Vorliegend hat der BGH jedoch keine Anhaltspunkte für ein Verschulden des Elternteils bzw. seines Betreuers im Zusammenhang mit dem unterlassenen Vorgehen gegen den Bescheid vom 19.12.1994, mit dem der Antragsteller die Übernahme der Kosten für die Kranken-, und damit im Ergebnis auch der Pflegeversicherung abgelehnt hat, gesehen. Dass sie nicht aus eigenen Mitteln für den Abschluss einer Pflegeversicherung gesorgt hat, war ihr nicht vorzuwerfen, weil sie nicht über die notwendigen Mittel verfügt hat. Im Umkehrschluss daraus folgt, dass dann, wenn dem Elternteile die zum Abschluss einer freiwilligen/privaten Kranken-/Pflegeversicherung notwendigen Mittel zur Verfügung gestanden hätten, dieser sich bei Nichtabschluss einer solchen Versicherung die Pflegeleistungen der Versicherung hätte fiktiv zurechnen lassen müssen.

Trotz Nichtzurechnung von fiktiven Pflegegeldern ist der Forderungsübergang aber im Umfange solcher fiktiven Pflegegelder unbillig nach § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII. Denn es wäre treuwidrig, wenn der Staat (das Sozialamt) einerseits die Aufnahme des Elternteils in die gesetzliche Pflegeversicherung zu Unrecht verhindert und dadurch eine höhere Bedürftigkeit geschaffen hat, andererseits aber den vollen Bedarf nach Eintritt der Pflegebedürftigkeit geltend macht.

Werden fiktive Leistungen der Pflegeversicherung entweder als bedarfsminderndes fiktives Einkommen oder über die Anwendung des § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII erfasst, muss jeweils berücksichtigt werden, dass sich dann der Bedarf des Elternteils fiktiv um die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung erhöht. Denn der Elternteil ist dann insgesamt so zu behandeln, wie wenn er gesetzlich kranken-/pflegeversichert wäre.

(Weitere) Einschränkung des Anspruchsübergangs nach § 94 SGB XII

Neben der Einschränkung des Übergangs des Unterhaltsanspruchs auf den Leistungsträger nach § 94 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII (vgl. unter II.) ergibt sich hier noch eine weitere Einschränkung. Nach §§ 94 Abs. 1 S. 6, 105 Abs. 2 SGB II sind 56 % der vom Leistungsträger übernommenen Unterkunftskosten (ohne Heizungs- und Warmwasserkosten) nicht übergangsfähig, d.h. lediglich 44 % können insoweit übergehen. Diese Regelung gilt imm...

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