Dr. Peter Friederici

Schnitzler: Wir feiern in diesem Jahr 25 Jahre Wiedervereinigung. Ich glaube, es gibt kaum ein Datum in der jüngeren deutschen Geschichte, das bei vielen Deutschen, ob Westdeutsche oder Ostdeutsche, so die Herzen berührt hat wie die Maueröffnung in Berlin. Diese Zeit von 1989 bis 2014 ist Gegenstand dieses Interviews. Ausgangspunkt war der Einigungsvertrag zwischen der Bundesrepublik und der früheren DDR. Schäuble setzte als Verhandlungsführer die Übernahme des westdeutschen Rechtssystems in den neuen Bundesländern durch. Was ist Ihre Erinnerung an diese Zeit?

Friederici: Da ich in den Grenzen des Deutschen Reiches von 1937 geboren bin und in Thüringen meine Schulzeit begonnen und dann erst mit den Eltern Republikflucht begangen habe, war für mich klar, dass ich irgendwie an diesem Prozess der Wiedervereinigung mithelfen werde. Das stand für mich fest. Das Erste, was ich dann aktiv getan habe, war im Frühjahr 1990: Ich bin von meiner damaligen Wohnsitzgemeinde im Taunus in die ehemalige DDR gefahren und wir haben mit der Gemeinde Ilfeld in Nord-Thüringen einen Partnerschaftsvertrag abgeschlossen, ohne Genehmigung der Ministerien. Und wir haben dann auch begonnen, ich war damals erster Vorsitzender eines ASB-Ortsverbandes (Arbeiter Samariter Bund), eine Schnelle Medizinische Hilfe (SMH) und ein kommunales Rechenzentrum aufzubauen. Ich bin dann fast jeden Mittwochnachmittag nach Thüringen gefahren und am nächsten Vormittag zurück nach Frankfurt, um dann dort wieder meine Arbeit weiter zu machen.

Schnitzler: Das war also eine private Initiative des Bürgers Friederici in der früheren DDR. Wie kam es dann aber zu dem Engagement als westdeutscher Richter in der früheren DDR?

Friederici: Es war relativ einfach, weil ich von dem Aufbaustab des OLG Naumburg einen Brief bekam und gefragt wurde, ob ich bereit wäre, als EDV-Referent an dem Aufbau hier teilzunehmen. Daraufhin bin ich nach Magdeburg gefahren, das erste Mal in meinem Leben dann mit dem eigenen Auto über die Grenze. Im ehemaligen Stasi-Gebäude in Magdeburg saßen dann Mitglieder des Aufbaustabes, auch unser späterer Chefpräsident und sein Vize-Präsident. Mit denen hab ich dann ein paar Stunden gesprochen und die haben mir dann ihr O.K. gegeben und mit mir vereinbart, dass ich am 4.5.1992 nach Naumburg komme. "Sie brauchen sich um nichts zu kümmern, für Zimmer und alles sorgen wir", war noch ein wichtiger Hinweis.

Schnitzler: Meines Wissens war auch die Zuordnung im Einigungsvertrag zwischen den westdeutschen Bundesländern und den neuen fünf Bundesländern vorgesehen. Da war jedoch Hessen an sich nicht für Sachsen-Anhalt vorgesehen. Insofern müssen Sie mir erklären, wie Sie nicht nach Thüringen, sondern nach Sachsen-Anhalt gekommen sind.

Friederici: Das war ganz einfach. Nachdem ich mit der vorläufigen Regierung oder den Ministerien in Erfurt nicht klarkam, bekam ich aus Sachsen-Anhalt das Angebot als EDV-Referent. Dies beruhte darauf, dass ich damals von Frankfurt aus als Amtsrichter die EDV in der Justiz Hessen mit aufgebaut habe. Den Namen hat zwar immer ein Staatssekretär hergegeben und die Unterschrift, aber die meiste Arbeit habe ich gemacht, das war bekannt. Ich bekam erst im Mai 1992 vom Justizministerium in Wiesbaden gesagt, "Abordnung gibt es nicht, Sie können aber entlassen werden aus dem Richterdienst". Das ist dann auch so gemacht worden. Herr Goydke, unser späterer Chefpräsident, hat mir die Entlassungsurkunde im Auftrag des Landes Hessen überreicht und hat mich dann ein paar Sekunden später zum Richter am Bezirksgericht Magdeburg ernannt.

Schnitzler: Sie müssen mir jetzt nur noch verraten, wann war das eigentlich, als Sie hier Richter am Bezirksgericht Magdeburg wurden, also praktisch Vorgänger des späteren OLG?

Friederici: Am 4.5.1992 in den Räumen, wo jetzt das Interview stattfindet, bin ich aus dem Richterdienst in Hessen entlassen worden und Richter am Bezirksgericht in Magdeburg geworden.

Schnitzler: War zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass Sie Ihre Tätigkeit als Familienrichter, was Sie ja jahrelang in Frankfurt gemacht hatten, fortsetzen würden?

Friederici: Nein, so genau war das nicht. Oberlandesgericht ist auch etwas anderes als Amtsgericht. Ich war nachher in einem Zivilsenat, wo wir alles querbeet gemacht haben, auch Familienrecht, denn der damalige Vorsitzende kam aus Celle und er war Familienrechtler. Ich habe damals auch Vermögensgesetz und Verkehrsunfälle bearbeitet, alles querbeet.

Schnitzler: Wann ist denn eigentlich die Entscheidung für den Standort Naumburg, für das Land Sachsen-Anhalt gefallen? Das war ja im Zweifel nicht von vorneherein klar, dass im südlichen Zipfel des Landes ein OLG eingerichtet wird.

Friederici: Die politische Entscheidung muss schon 1990 oder 1991 gefallen gewesen sein. Wir haben uns hier nur noch um die Gebäude gekümmert. Das war dann nicht ganz klar, ob wir in das jetzige OLG-Gebäude hineingehen oder in die Kadette, die damals auch zur Debatte stand.

Schnitzler: Wenn ich das seinerzeit richti...

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