Aktuelle Rechtsprechung zu Persönlichkeitsverletzungen im Internet mit familienrechtlichem Hintergrund

Einführung

Im letzten Jahrzehnt hat sich die Nutzung des Internets weg von der Rezeption zentral erstellter Inhalte hin zu einer breit gefächerten Partizipation der Nutzer bei der Gestaltung von Internetseiten entwickelt. Das Web 2.0, welches als Schlagwort die Einbindung nutzergenerierter Inhalte bei der Internetnutzung beschreibt, ermöglicht es nahezu jedem, dem ein Internetzugang zur Verfügung steht, Informationen online zu stellen.[1] Durch geringe technische Hürden beim Hochladen von Dateien und die Ermöglichung anonymer Nutzung steigt die Missbrauchsanfälligkeit der weltweit abrufbaren Online-Dienste.[2] Die Erleichterung der Verletzungshandlungen führt dazu, dass im Internet vielfach Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Diese Ausgangslage verschärft sich bei Problemen in familiären Beziehungen durch das ihnen immanente Konfliktpotenzial erheblich. Den Blickpunkt der nachfolgenden Betrachtung bilden familienrechtliche Aspekte des Persönlichkeitsschutzes im Internet. Dabei müssen insbesondere die neuen Partizipationsmöglichkeiten der Nutzer in sozialen Netzwerken, Social-Sharing-Plattformen[3] und Meinungsforen Berücksichtigung finden. Die Darstellung knüpft dabei an den 2002 veröffentlichten Aufsatz von Gounalakis/Rhode[4] an und führt die Thematik im Hinblick auf neuere Entwicklungen in der Rechtsprechung fort.

[1] Der Begriff Web 2.0 wurde von Tim O'Reilly in seinem Artikel "What is Web 2.0?" geprägt, abrufbar unter http://www.oreilly.de/artikel/web20.html (letzter Abruf: 20.9.2011).
[2] Gounalakis/Rhode, Persönlichkeitsschutz im Internet, Rn 1 f.
[3] Unter den Begriff des Social Sharing fallen Internetplattformen zum Teilen medialer Inhalte mit sozialer Verknüpfungsfunktion der Nutzer. Die bekanntesten Beispiele sind flickr und youtube. Vgl. dazu Ebersbach/Glaser/Heigl, Social Web, S. 117 ff.
[4] Gounalakis/Rhode, FF 2002, 202 ff.

I. Problemfelder des Persönlichkeitsschutzes

Parallel zu offline stattfindenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen muss auch im Internet zwischen verschiedenen Ausprägungen des Persönlichkeitsschutzes differenziert werden. Neben dem übergeordneten allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG abgeleitet wird, ergänzen Spezialtatbestände als besondere Persönlichkeitsrechte den zivilrechtlichen Schutz der Persönlichkeit.[5] Problematische Sachverhalte im familienrechtlichen Kontext ergeben sich insoweit vor allem im Hinblick auf den Schutz des Rechts der persönlichen Ehre und des Rechts am eigenen Bild.

[5] Vgl. dazu ausführlich Gounalakis/Rhode, Persönlichkeitsschutz im Internet, Rn 36 ff.

1. Ehrenschutz

Schutz gegen Beeinträchtigungen der sozialen Anerkennung des Einzelnen bieten neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht die §§ 185 ff. StGB, welche als Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB auch im Zivilrecht Geltung beanspruchen.[6] Insoweit muss zwischen Meinungsäußerungen, die sich durch Elemente der Stellungnahme, des Glaubens, Dafürhaltens oder der Wertung auszeichnen[7] und dem Beweis zugänglichen Tatsachenbehauptungen[8] unterschieden werden. Gemischte Äußerungen sind je nach ihrem Schwerpunkt einer der beiden Kategorien zuzuordnen.[9] Dem Persönlichkeitsrecht steht als konfligierende Rechtsposition die Meinungsfreiheit gegenüber. Als Richtschnur einer Abwägung gilt dabei, dass Meinungsäußerungen bis zur Grenze des Menschenwürdeverstoßes, der Schmähkritik oder der Formalbeleidigung durch Art. 5 GG geschützt werden.[10] Bewusst aufgestellten oder erwiesen unwahren Tatsachenbehauptungen ist der Schutz durch die Meinungsfreiheit hingegen versagt.[11]

Die neuere Rechtsprechung zeigt, dass nicht nur ehemalige Partner, sondern auch Jugendämter, deren Mitarbeiter und die Verfasser familiengerichtlicher Gutachten zum Gegenstand ehrenrühriger Äußerungen im Internet werden können.[12]

In einem Fall des OLG Koblenz aus 2007 hatte sich ein Seitenbetreiber auf seiner Homepage über eine Abteilungsleiterin des städtischen Jugendamts geäußert, die dienstlich mit dem Sorgerechtsstreit zwischen seiner Frau und deren früherem Ehemann befasst war.[13] Die Mitarbeiterin des Jugendamts wehrte sich gegen die Äußerungen mit einem Unterlassungsbegehren im einstweiligen Verfügungsverfahren. Das OLG Koblenz kam zu dem Schluss, dass es sich bei den namentlich auf die Mitarbeiterin Bezug nehmenden Äußerungen auf der Homepage ("vom PAS-Syndrom scheint Frau R. auch noch nichts gehört zu haben“; "in keinster Weise willig, der Angelegenheit mit dem nötigen Ernst nachzugehen"; "aufgrund der vielen uns mittlerweile bekannten Fälle wie diverse Jugendämter in Deutschland arbeiten, kann man hier nur entweder von Arroganz, Naivität oder Machtmissbrauch sprechen") insgesamt um Meinungsäußerungen handelt. Für einen unbeteiligten Leser sei die der persönlichen Bewertung des Verfassers zugrunde liegende Tatsachengrundlage ohne zusätzliche Informationen nicht nachprüfbar. In der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Jugendamtsmitarbeiterin und der Meinun...

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