Einführung

"Die Revision wird nicht zugelassen, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt." Wer hätte einen solchen Tenor nicht bereits hinnehmen müssen, obwohl eine erhebliche Grundsatzfrage in der Berufungsbegründung[1] mit einem hohen Maß an Substantiierung dargelegt und das Erfordernis der Revisionszulassung[2] ausgeführt wurde, unter Aufbereitung aller maßgeblichen Rechtsprechungs- und Literaturmeinungen? Der Beitrag möchte aufzeigen, dass sich über den Oberlandesgerichten durchaus nicht immer der "blaue Himmel" wölbt, der in solchen Fällen dazu herhalten muss, dem Mandanten nicht nur das unerfreuliche Ergebnis zu verkünden, sondern auch dessen Endgültigkeit zu erklären. Das Verfassungsproblem des Zugangs zum BGH[3] besteht auch nach dem Zivilprozessreformgesetz vom 27.7.2001,[4] weil § 543 Abs. 2 ZPO nicht durchgängig angewendet wird, obwohl das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass dies gegen Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG verstoßen kann.[5] Besondere Aktualität erfährt die Sache durch die Neufassung von § 522 ZPO.[6]

[1] Da das Zahlenmaterial die Vergangenheit betrifft, verwendet der Verfasser überwiegend den Begriff "Beschwerde" (und nicht "Berufung").
[2] Da das Zahlenmaterial die Vergangenheit betrifft, verwendet der Verfasser überwiegend den Begriff "Revison" (und nicht "Rechtsbeschwerde").
[3] Vgl. auch Piepenbrock, AnwBl. 2004, 329.
[4] BGBl I, S. 1887.
[5] BVerfG AnwBl. 2004, 381, 383 mit Hinweis auf BVerfGE 3, 359, 363; 9, 213, 215; 101, 331, 359.
[6] BGBl I 2011, S. 2082.

Statistik

Die Erfahrung zeigt: Die Neigung der Familiensenate der Oberlandesgerichte, die Revision zuzulassen, ist sehr unterschiedlich ausgeprägt. Sogar zwischen den Senaten einzelner Oberlandesgerichte scheint es Abweichungen zu geben. Diese Arbeitshypothese war Anlass zu einer Untersuchung und rechtlichen Beurteilung der Zulassungspraxis. Alle Oberlandesgerichte haben dasselbe Gesetz anzuwenden: § 543 Abs. 2 ZPO. Dieser ist zwingenden Inhalts, weshalb sich die Zulassungspraxis örtlich nicht wesentlich unterscheiden darf. Es wurde daher vom Verfasser folgendes Zahlenmaterial durch Anfrage bei den Gerichten erhoben:[7]

Bundesgerichtshof (XII. Senat)

Erbeten wurden die Angaben:

  1. Zugelassene Revisionen[8] nach Oberlandesgerichten und Senaten
  2. Erledigung dieser Revisionen nach Bestätigung, Aufhebung, Vergleich, anderweitiger Erledigung.

Oberlandesgerichte

Wie viele Verfahren (Familiensachen) wurden je Kalenderjahr erledigt und in wie vielen Verfahren wurde die Revision zugelassen?

Anfragen und Antworten sind aus Platzgründen im Internet hinterlegt.[9]

Die Zahlen wurden vom Verfasser ausgewertet und werden in den folgenden Tabellen dargestellt. Das erbetene Zahlenmaterial liegt nicht von allen Oberlandesgerichten vor.

Erledigungsstatistik des Bundesgerichtshofs gemäß Anfrage

 
  2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
zugelassene Revisionen 37 40 31 35 46 26 23 17 48 66
Bestätigungen 10 13 8 13 21 5 6 5 12 5
Aufhebungen 20 18 15 14 18 13 15 9 17 4
Vergleiche 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
anderweitige Erledigungen 7 9 8 8 7 8 2 3 16 16
noch anhängig gewesen 0 0 0 0 0 0 0 0 3 41

Von den OLGen zugelassene und auch eingelegte Revisionen in absoluten Zahlen

 
  2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 Summe
Bamberg 1 0 1 2 3 0 0 0 2 2 11
Berlin (KG) 1 1 2 3 1 0 0 1 2 5 16
Brandenburg 0 0 0 1 2 3 1 2 3 1 13
Braunschweig 1 1 0 0 0 0 0 0 3 9 14
Bremen 0 0 1 0 1 0 0 0 0 0 2
Celle 0 1 2 1 2 0 1 2 0 0 9
Dresden 2 3 1 1 4 1 0 0 2 2 16
Düsseldorf 3 2 2 3 5 6 2 3 4 7 37
Frankfurt 5 8 2 1 2 3 2 2 3 7 35
Hamburg 2 2 1 2 0 1 0 0 1 2 11
Hamm 3 7 2 3 4 4 4 2 10 8 47
Jena 0 0 0 1 0 0 1 0 1 0 3
Karlsruhe 1 1 1 5 2 4 3 0 4 5 26
Koblenz 2 2 2 0 5 0 1 0 2 4 18
Köln 1 1 1 2 1 1 1 0 3 2 13
München 4 2 3 1 3 0 0 0 2 0 15
Naumburg 0 1 0 1 0 0 1 1 0 0 4
Nürnberg 2 0 0 0 3 1 1 0 0 4 11
Oldenburg 1 1 2 2 1 0 4 2 0 1 14
Rostock 1 2 0 0 0 0 0 0 0 0 3
Saarbrücken 0 0 1 0 0 1 0 0 1 0 3
Schleswig 0 1 1 1 3 1 0 1 1 4 13
Stuttgart 4 2 2 2 2 0 1 1 3 3 20
Zweibrücken 3 2 3 1 2 0 0 0 1 1 13

Von den OLGen zugelassene und auch eingelegte Revisionen im Verhältnis zu den Erledigungen in Prozent (Zulassungsquote)

 
OLG Zeitraum Erledigungen Erledigungen/Jahr Revisions-zulassungen/Jahr Quote
Braunschweig 2006–2009 1.931 482,75 3 0,62000
Frankfurt 2006–2009 4.889 1222,25 4,67 0,38000
Brandenburg 2006–2009 2.595 648,75 1,75 0,27000
Koblenz 2004–2009 5.049 841,5 2 0,24000
Düsseldorf 2004–2009 13.370 1910 4,5 0,24000
Hamburg 2000–2009 4.851 485,1 1,1 0,22700
Oldenburg 2000–2009 9.797 970,7 1,4 0,14000
Berlin 2000–2009 11.535 1153,5 1,6 0,14000
Schleswig 2000–2009 12.664 1266,4 1,3 0,10000
München 2000–2009 15.942 1594,2 1,5 0,09000
Dresden 2000–2009 18.082 1808,2 1,6 0,09000
Köln 2003–2009 12.366 1766,57 1,43 0,08000
Naumburg 2002–2009 4.916 614,5 0,37 0,06000
Hamm 2000–2009 75.636 7563,6 4,7 0,06000
Jena 2000–2009 5.095 509,5 0,3 0,06000
Celle 2000–2009 18.532 1853,2 0,9 0,05000
Rostock 2002–2009 7.752 969 0 0,00000

Bei der Ermittlung des Wertes "Revis...

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