BGB § 1570

Leitsatz

a) Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ist stets zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in kindgerechten Betreuungseinrichtungen gesichert werden könnte. Denn mit der Neugestaltung des nachehelichen Betreuungsunterhalts in § 1570 BGB hat der Gesetzgeber für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres den Vorrang der persönlichen Betreuung aufgegeben (im Anschluss an die Senatsurt. v. 17.6.2009 – XII ZR 102/08, FamRZ 2009, 1391 und BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770).

b) Ein Altersphasenmodell, das bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein oder wesentlich auf das Alter des Kindes abstellt, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.

BGH, Urt. v. 15.9.2010 – XII ZR 20/09 (KG Berlin, AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg)

Sachverhalt

Tatbestand: [1] Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.

[2] Die 1971 geborene Antragstellerin und der 1970 geborene Antragsgegner hatten im September 1999 die Ehe geschlossen. Im September 2000 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Nach der Trennung im März 2005 wurde die Ehe auf den im Dezember 2006 zugestellten Scheidungsantrag der Antragstellerin mit Urt. v. 22.7.2008 rechtskräftig geschieden. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den gemeinsamen Sohn wurde der Antragstellerin übertragen.

[3] Die Antragstellerin war wegen der Betreuung des gemeinsamen Kindes in seinen ersten drei Lebensjahren nicht erwerbstätig. In der Folgezeit arbeitete sie (zunächst) 25 Stunden wöchentlich in ihrem Beruf als Rechtsanwalts- und Notargehilfin, mit einer Arbeitszeit von montags bis mittwochs und freitags von 9.00 Uhr bis 14.00 Uhr sowie donnerstags von 13.00 Uhr bis 18.00 Uhr. Der Sohn besucht im Anschluss an die Schule bis 15.00 Uhr einen Hort; donnerstags wird er sodann vom Antragsgegner und dem Großvater väterlicherseits betreut. Aus ihrer Erwerbstätigkeit erzielt die Antragstellerin Nettoeinkünfte, die sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach Abzug berufsbedingter Kosten auf monatlich 1.141,69 EUR belaufen.

[4] Der Antragsgegner ist im Umfang von 36,5 Wochenstunden bei den Berliner Verkehrsbetrieben beschäftigt. Die Höhe seines Nettoeinkommens ist zwischen den Parteien streitig. Er zahlt für den gemeinsamen Sohn monatlichen Unterhalt, der sich ursprünglich auf 114 % des Regelbetrages belief und seit April 2009 110 % des Mindestunterhalts beträgt, jeweils abzüglich hälftigen Kindergeldes.

[5] Das AG hat die gegenwärtig ausgeübte Erwerbstätigkeit der Antragstellerin für ausreichend erachtet und ein Nettoeinkommen des Antragsgegners errechnet, das sich nach Abzug des Kindesunterhalts auf 1.641,04 EUR beläuft. Auf dieser Grundlage hat es einen Anspruch der Antragstellerin auf Elementarunterhalt in Höhe von 193,20 EUR und auf Altersvorsorgeunterhalt in Höhe von 48,54 EUR errechnet. Das Kammergericht hat die Berufung des Antragsgegners zurückgewiesen und die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

[6] Mit seiner Revision verfolgt der Antragsgegner seinen Klagabweisungsantrag weiter.

Aus den Gründen

Gründe: [7] Für das Verfahren ist gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurt. v. 16.12.2009 – XII ZR 50/08, FamRZ 2010, 357 Rn 7).

A. [8] Die Revision ist, entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung, in vollem Umfang zulässig.

[9] Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich eine wirksame Beschränkung des Rechtsmittels bei uneingeschränkter Zulassung im Tenor der angefochtenen Entscheidung auch aus dessen Entscheidungsgründen ergeben (Senatsurt. BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 Rn 8 m.w.N.). Eine solche Beschränkung setzt allerdings voraus, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisions- oder Rechtsbeschwerdeverfahren hinreichend klar auf einen abtrennbaren Teil seiner Entscheidung begrenzt hat (Senatsurt. v. 12.7.2000 – XII ZR 159/98, NJW-RR 2001, 485, 486). Das ist hier nicht der Fall.

[10] Das Berufungsgericht hat die Revision zur Auslegung der §§ 1570, 1578b Abs. 2 BGB zugelassen, was sich im Hinblick auf die zum 1.1.2008 in Kraft getretene gesetzliche Neuregelung hier auf die gesamte relevante Zeit auswirkt. Weil sich der Umfang der Erwerbspflicht der Antragstellerin im Rahmen des Betreuungsunterhalts zwangsläufig auf die Höhe des geschuldeten nachehelichen Unterhalts auswirkt, ergibt sich aus anderen unterhaltsrelevanten Umständen, wie dem unterhaltsrelevanten Einkommen des Antragsgegners, kein abtrennbarer Teil des Streitstoffes.

B. [11] Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I. [12] Das Kammergericht, dessen Entscheidung in KGR 2009, 248 veröffentlicht ist, hat die Berufung des Antragsgegners ...

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