Interview mit Margarethe Bergmann, Ltd. Richterin des Familiengerichts Köln

Margarethe Bergmann

FF/Schnitzler: Sie sind Leiterin des Familiengerichts Köln, wie viele Richter und Richterinnen sind derzeit in Köln eingesetzt?

Bergmann: Beim Familiengericht Köln arbeiten derzeit 24 Familienrichter und -richterinnen, davon acht in Teilzeit. Dem Familiengericht sind 20 volle Richterpensen zugeteilt.

FF/Schnitzler: Die große Reform des Verfahrensrechts ist seit dem 1.9.2009 in Kraft, Teil des Reformvorhabens war die Einführung des großen Familiengerichts. Haben Sie eine Verstärkung erfahren, zumal schwierige Verfahrensbereiche vom Amts- und LG an das Familiengericht abgegeben worden sind, z.B. Gesamtschuldnerausgleich bei Darlehen, Nutzungsentschädigung usw.?

Bergmann: Das Familiengericht Köln ist im zeitlichen Zusammenhang mit den zum 1.9.2009 in Kraft getretenen Reformen um 1,5 Richterstellen verstärkt worden. Die bisher dem LG zugewiesenen Sachen sind regelmäßig umfangreich und schwierig; zahlenmäßig fallen jedoch die Gewaltschutzsachen erheblich stärker ins Gewicht, für die bisher teilweise die Zivilabteilung zuständig war und die jetzt insgesamt vom Familiengericht zu bearbeiten sind. Bedauerlicherweise konnte die Zahl der Servicekräfte nicht angemessen aufgestockt werden, so dass die Beteiligten auf die Entscheidungen des Gerichts u.U. länger warten müssen.

FF/Schnitzler: Das Vorrangs- und Beschleunigungsgebot hat zu einiger Irritation bei Anwälten und Familiengerichten geführt. Hier ist offenbar bei Kindschaftssachen, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen, sowie bei Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls das "Cochemer Modell" in die Praxis umgesetzt worden, wonach möglichst rasch ein Termin stattfinden soll, ohne dass umfangreiche Schriftsätze schon von vornherein das Verfahren belasten können. Gibt es hier Probleme zwischen Anwaltschaft und Richtern, die die Einhaltung der Monatsfrist ja gewährleisten müssen?

Bergmann: Das Beschleunigungsgebot des § 155 FamFG sieht bekanntlich vor, dass in bestimmten, Kinder betreffenden Verfahren binnen eines Monats ein Erörterungstermin stattfinden soll. Vor allem in Urlaubszeiten ist es oft schwierig, derart kurzfristig Termine mit den Beteiligten abzustimmen. Bisher ist es allerdings meist gelungen, mit den sachbearbeitenden Anwälten zeitnah gemeinsame Termine zu finden. Schwieriger ist der Zeitdruck für das Jugendamt, das nach Möglichkeit vor dem Termin Gespräche mit den Beteiligten führen soll. Deshalb wird ihm der Termin vorab per Fax oder Mail mitgeteilt, um Postlaufzeiten zu vermeiden. Auch wird so bald wie möglich ein Verfahrensbeistand für das Kind bestellt, wenn dies erforderlich ist.

FF/Schnitzler: Kann man sagen, dass die Beschleunigung dieser Verfahren zu einer Beruhigung der Situation in derartigen Fällen beigetragen hat?

Bergmann: Die Beschleunigung dieser Verfahren trägt wesentlich zu einer Beruhigung der Situation bei.[1] Die Beteiligten sehen sich durch die schnelle Terminierung in ihren Anliegen ernst genommen. Auch kann hierdurch vermieden werden, dass sich die Spannungen zwischenzeitlich verschärfen. Die geringere schriftliche Vorbereitung durch Rechtsanwälte und Jugendamt vermeidet ebenfalls unnötige Eskalationen. Das stärker ausgeprägte Mündlichkeitsprinzip erleichtert flexible Lösungen, z.B. in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt. Jedenfalls in komplexeren Fällen sind gleichwohl schriftliche Berichte des Jugendamts wünschenswert.

FF/Schnitzler: Wie wird die Vorschrift des § 137 FamFG in der Praxis in Köln angewendet – insbesondere die berühmte Zweiwochenfrist für die Geltendmachung von Folgesachen? Sind hier überhaupt schon Entscheidungen im Kölner Bezirk gefällt worden? Nach altem Recht war ja tatsächlich derjenige, der ein Scheidungsverfahren verzögern wollte, im Vorteil, wenn er vor der letzten mündlichen Verhandlung oder im Termin mit einem Folgesachenantrag kam. Dem musste nachgegangen werden, und wenn der Antrag vorher gestellt wurde, ist in unserem Bezirk regelmäßig der Termin geplatzt und aufgehoben worden. Wäre es nicht sinnvoller gewesen, die Vorschrift an Ladungs- und Einlassungsfristen zu kuppeln? Meines Wissens gibt es hierzu keine gefestigte Rechtsprechung, lediglich einen Beschluss des OLG Hamm vom 30.6.2010.

Bergmann: Die Zweiwochenfrist für die Einreichung von Folgeanträgen nach § 137 Abs. 1 FamFG wird in Köln angewandt. Der Antragsteller des verspäteten Folgeantrags wird auf die Verspätung hingewiesen. Stellt er den Antrag im Termin gleichwohl, so wird der Folgeantrag als im Verbund unzulässig zurückgewiesen, z.B. im Scheidungsbeschluss. Dies hindert naturgemäß die gesonderte Antragstellung außerhalb des Scheidungsverbundes nicht. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das Scheidungsverfahren nicht wie bisher mit immer neuen Folgeanträgen verzögert werden kann. Der beratende Anwalt ist dadurch gehalten, frühzeitig mit seinem Mandanten zu klären, ob Folgeanträge nötig sind. Ich halte die V...

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