Christiane A. Lang

Im Sommer 2013 hatte ich das gerade in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Rechte des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters (BGBl I 2013, 2176 f.) zum Anlass genommen, die Frage das erste Mal zu stellen. Gut dreieinhalb Jahre und das Forum Abstammungsrecht unserer Arbeitsgemeinschaft später lässt mich die erste Entscheidung des BGH zum Umgangsrecht des biologischen Vaters nach der gesetzlichen Neuregelung (Beschl. v. 5.10.2016 – XII ZB 280/15) meine Frage erneut stellen.

Aus der Beziehung des leiblichen Vaters mit der mit einem anderen Mann verheirateten Mutter sind Zwillinge hervorgegangen. Die Zwillinge wurden nicht über ihre wahre Abstammung aufgeklärt und dem leiblichen Vater der Umgang verweigert. Dieser leitete sein erstes Umgangsverfahren ein und erreichte, dass das Familiengericht Umgangskontakte anordnete, welche das OLG aber aufhob. Der leibliche Vater sollte Rechtsgeschichte schreiben, denn mit "seinem" Urteil beim EGMR vom 21.12.2010 (Beschwerde Nr. 20578/07) erreichte er, dass einem umgangsbegehrenden biologischen Vater bei Fehlen einer sozial-familiären Beziehung nicht mehr ohne Kindeswohlprüfung der Umgang pauschal verwehrt werden darf. Mit diesem Rückenwind leitete er sein zweites Umgangsverfahren ein und erreichte erneut, dass das Familiengericht Umgang anordnete, den das OLG allerdings wieder aufhob.

Nun hat der BGH entschieden, die Rechtsbeschwerde für begründet angesehen und die Sache zurückverwiesen. Leider beruhte die Prüfung des OLG teils auf Verfahrensfehlern. So bot das Sachverständigengutachten keine ausreichende Entscheidungsgrundlage und war in seinem Beweiswert anzuzweifeln, weil die Eltern gemeinsam mit ihren Verfahrensbevollmächtigten mit den Gutachtern ohne Einbeziehung des Gerichts und der übrigen Verfahrensbeteiligten Absprachen getroffen hatten. Die Exploration der Kinder wurde als eine angebliche Zwillingskinderuntersuchung inszeniert. Wie der BGH klar herausstellt, kann sich der Tatrichter bzw. der Sachverständige nur bei einem informierten Kind ein verlässliches Bild darüber verschaffen, ob der Umgang mit dem leiblichen Vater dem Kindeswohl dient. Weigern sich die rechtlichen Eltern aber, ihr Kind zu informieren, käme wohl deren gerichtliche Verpflichtung unter Setzen einer Frist in Betracht, innerhalb derer sie das Kind über seine wahre Abstammung zu informieren haben.

So weit, so gut, wenn man mit dem BGH der Ansicht ist, dass die rechtlichen Eltern in ihrer Erziehungsverantwortung zwar durch Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG geschützt sind, worunter auch die Information des Kindes über seine Herkunft fällt, diese Verantwortung aber durch den verfassungsrechtlich grundsätzlich auch anzuerkennenden Wunsch des leiblichen Vaters nach Umgang eingeschränkt sein soll. Ja, sicherlich belegen auch zahlreiche empirische Studien weltweit, dass die frühzeitige Information der Kinder über ihre Herkunft unabdingbar ist. Aber wie sehen vor dem Hintergrund des "Reformdrives" (Zitat: Frau MinDir BMJV Beate Kienemund auf dem Forum Abstammungsrecht) dann in Zukunft Umgangsverfahren aus? Werden die Familienrichterinnen und Familienrichter bei Weigerung der rechtlichen Eltern, ihr Kind über seine wahre Abstammung zu informieren, im Rahmen der Kindesanhörung ein Kind über die Einzelheiten der Reproduktionsmedizin aufklären? Wird ein Kind vom Familiengericht erfahren, dass es durch donogene Insemination, Eizell- und/oder Mitochondrien- oder Embryospende und/oder Leihmutterschaft entstanden ist? Denn wer weiß, welche Möglichkeiten unser Abstammungsrecht in Zukunft vorsieht und ob § 1686a Abs. 1 BGB dann nicht mehr nur für den biologischen Vater, sondern auch für eine oder mehrere biologische Mütter gelten wird?

Vor diesem Hintergrund mag ich meine 2013 gestellte Frage doch nicht nur fortsetzen, sondern erweitern in: "Wer sind meine Väter und Mütter – und wenn ja, wie viele?"

Autor: Christiane A. Lang

Christiane A. Lang, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, Berlin

FF 1/2017, S. 1

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