Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.5.2005 – XII ZB 33/04[1] ist in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte anerkannt, dass bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern über die religiöse Kindererziehung eine Alleinübertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil gemäß § 1671 BGB regelmäßig nicht gerechtfertigt ist, sondern allenfalls eine Teilübertragung in Betracht kommt. Es sei zwar eine wichtige Aufgabe der Eltern, ihrem Kind ethische Wertvorstellungen zu vermitteln und es zu einem angemessenen Sozialverhalten zu erziehen. Dies könne, müsse aber nicht notwendig durch eine frühzeitige und feste Orientierung in einem bestimmten Glauben oder an einer bestimmten Konfession erfolgen. Zudem könnte dem Anliegen, das Kind – etwa im Hinblick auf seine christlich-katholische Umgebung – bereits taufen zu lassen, durch eine Entscheidung nach § 1628 BGB Rechnung getragen werden. Ob sich die Bestimmung des religiösen Bekenntnisses, wie es in § 3 Abs. 1 RKEG heißt, auf die Vermittlung von ethischen Wertvorstellungen und angemessenem Sozialverhalten reduzieren lässt, wie der BGH meint, muss bezweifelt werden.

In dem nahezu hundert Jahre alten Gesetz über die Religiöse Kindererziehung (RKEG) steht das Recht der Eltern im Vordergrund, die Religion/Weltanschauung ihrer Kinder aufgrund freier Einigung zu bestimmen und entsprechend zu praktizieren. Neben der familiären Einübung entsprechender Glaubenspraktiken erstreckt sich das Recht der Eltern nicht nur auf die Entscheidung über Taufe bzw. Beschneidung sondern auf jede wertevermittelnde und sinndeutende Einflussnahme der Eltern oder Dritter auf das Kind, soweit damit eine religiöse/weltanschauliche Orientierung beabsichtigt ist.[2] In dem Klassiker zur Religionspädagogik "Das Recht des Kindes auf Religion" resümiert Friedrich Schweitzer unter Bezug auf die UN-Kinderrechtekonvention eine "freiheitliche Ausgestaltung der religiösen Erziehung, bei der die Eltern zwar ganz unvermeidlich irreversible Entscheidungen für ihre Kinder treffen und treffen müssen – ähnlich wie auch Muttersprache und Nationalität des Kindes durch seine Eltern vorgegeben sind –, dabei dennoch immer auch darauf bedacht sein sollten, die vielleicht von den Kindern später in Anspruch genommene oder gewünschte Entscheidungsfreiheit zu ermöglichen".[3] Der Religionspädagoge H.-J. Fraas sieht das Ziel religiöser Kinderreziehung darin, dem Kind Heimat zu bieten. Dies sei nicht im exklusiv-missionierenden Sinn gemeint. Es gehe darum, dass jedes Kind seine Heimat hat, in seiner eigenen Tradition verwurzelt ist und gerade darin, in dieser Selbstgewissheit offen wird für andere.[4]

Die elterliche Bestimmung über die religiöse/weltanschauliche Erziehung als prozesshaftes Geschehen setzt nach dem RKEG nicht etwa einen nach religiösem Recht geforderten Formalakt, z.B. Taufe oder Beschneidung, voraus, vielmehr genügt es, dass beide Eltern – oder ein Elternteil in stillschweigendem Einverständnis mit dem anderen – mit der entsprechenden Erziehung beginnen und dies in der Folge durch ein eindeutiges Verhalten nach außen bestätigen.

Anders als im Beschluss des OLG Karlsruhe durch Berufung auf die Entscheidung des BGH vom 11.5.2005 dargestellt, hat der BGH jedoch nicht im Sinne des OLG Karlsruhe entschieden, sondern den Fall an das OLG Bamberg zurückverwiesen. Auch die vom OLG Karlsruhe zur Stützung seiner Entscheidung herangezogene "einheitliche Rechtsprechung der Oberlandesgerichte" bietet bei näherer Betrachtung ein sehr differenziertes Bild:

1. Das OLG Hamm, Beschluss vom 24.6.2014 – 12 UF 53/14[5], lehnte die Übertragung der Entscheidung über Taufe und Erstkommunion der beiden achtjährigen Kinder auf die katholische Mutter ab, die nach der Scheidung vom muslimischen Vater die Kinder katholisch erzieht, auf die katholische Grundschule gehen und am katholischen Schulgottesdienst teilnehmen lässt, mit ihnen den Gottesdienst besucht und die christlichen Feste feiert. Dem Wunsch der Mutter und auch der Kinder hält das OLG Hamm entgegen, ein Abwarten bis zur Religionsmündigkeit mit 14 Jahren bedeute für sie keinen Nachteil, da die Kinder weiter am Gottesdienst und Religionsunterrcht teilnehmen könnten.

In diesem Fall hat der Vater die Mutter zu lange gewähren lassen; unabhängig von dem von der katholischen Kirche für die Zugehörigkeit geforderten Formalakt der Taufe erfolgt in diesem Falle die katholische Erziehung im Sinne des RKEG. Indirekt bestätigt das OLG Hamm dieses Ergebnis, indem es die Teilnahme am Gottesdienst und Religionsuntericht in der katholischen Grundschule billigt. Hierfür ist nämlich Voraussetzung, dass die Mutter das Recht zur katholischen Erziehung besitzt, nur dann kann sie gemäß Art. 7 Abs. 2 GG die entsprechende Entscheidung treffen.

2. Das OLG Düsseldorf hält in seinem Beschluss vom 7.12.2009 – II-4 UF 221/09[6] die Übertragung der Entscheidung über Taufe und Kommunion für nicht geboten, da die Integration in die von der Mutter präferierte katholische Lebenswelt bislang auch ohn...

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